Saaldorf-Surheim. Bernhard Rehrl aus Berchtolding gehört zu den Landwirten, die aufgeschlossen sind und etwas Neues ausprobieren. Neben der Milchwirtschaft betreibt der Biobauer seit einigen Jahren auch Ackerbau: Bisher hat er Kartoffeln, die er ab Hof vermarktet, und Braugerste für die Brauerei Wieninger angebaut, heuer hat der Vollerwerbslandwirt eine weitere Getreidesorte dazu genommen: Bio-Hafer als hochwertige Speisefrucht.
Angeregt wurde er zu diesem Versuch von einer bäuerlichen Kooperation der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel (ÖMR) mit einem regionalen Verarbeiter, die ihren heimischen Lieferantenkreis erweitern möchte. Deshalb hat die ÖMR kürzlich eine Felderbegehung bei der Familie Rehrl organisiert.
Weil nicht nur Landwirte, sondern auch Vertreter einer Mühle und eines Unternehmens gekommen waren, die das Getreide zu vegetarischen Lebensmitteln verarbeiten, konnte bei der Veranstaltung die gesamte regionale Wertschöpfungskette dargestellt werden. Von den dabei gewonnenen Erkenntnissen profitierten alle, so das Fazit der Teilnehmer.
Landwirte produzieren Getreide für Bioverarbeiter
Marlene Berger-Stöckl begrüßte die Gruppe vor dem Klingerhof in Berchtolding, einem Ortsteil der Gemeinde Saaldorf-Surheim. Sie freue sich, dass auch einige neue Interessierte da seien, die sie noch bei keinem der Treffen der „Hafer-Gruppe“ gesehen habe, so die ÖMR-Managerin. Seit vier Jahren würden etwa ein Dutzend Landwirte aus den Ökomodellregionen Waginger See-Rupertiwinkel und Inn-Salzach Hafer, Emmer und gelegentlich auch Buchweizen für den Bioverarbeiter Soto aus Bad Endorf anbauen. Denn, fuhr Berger-Stöckl weiter fort, mit Kooperationen und Netzwerken wie diesem unterstützten die inzwischen 35 bayerischen Ökomodellregionen die heimischen Biobauern und förderten zudem Produktion und Vermarktung bioregionaler Lebensmittel.
Bevor es zum Feld ging, berichteten die Teilnehmer über ihre Beweggründe, warum sie an der Veranstaltung teilnehmen. Einige der Landwirtinnen und Landwirte sagten, sie würden nach Alternativen zu ihrem jetzigen Betriebszweig suchen, sich für den Getreideanbau und generell für neue Sorten interessieren und sich überlegen, in den Haferanbau einzusteigen. Auch einige aus der „Hafer-Gruppe“ waren gekommen, allen voran ihr Sprecher Wolfgang Aicher aus Kirchweihdach. Er ist seit ein paar Jahren „tierlos“, wie er sagte, und habe gute Erfahrungen mit dem Getreideanbau gemacht. Hafer wachse in unserer Region sehr unkompliziert und sei zudem ein wertvolles Glied in der Fruchtfolge; der viel zu niedrige Preis für den Landwirt sei in den letzten Jahren dank einer erhöhten Nachfrage deutlich gestiegen.
Neben dem Landwirt sind die Mühle und der Verarbeitungsbetrieb weitere wichtige Glieder in der Getreide-Wertschöpfungskette. Zuerst stellte sich Johann Priemeier von der Antersdorfer Mühle aus Simbach vor. Er trug im Verlauf der Veranstaltung viel Informatives zur Haferpflanze und ihren Samen, bekannt als Haferflocken, bei. Zwei wichtige Qualitätskriterien, um gute Preise mit dieser robusten Pflanze zu erzielen, seien das „Hektolitergewicht“, ein einfaches Maß für die Größe der Haferkörner, sowie die gute Schälbarkeit der verwendeten Sorte.
Welche vielfältigen Lebensmittel sich aus dem regionalen Getreide herstellen lassen, darüber berichtete Lennard Schramm von dem Bad Endorfer Bio-Unternehmen Soto. Er gehöre bereits zur zweiten Generation, sagte der junge Mann, dessen Eltern die Firma 1988 gegründet haben. Bis heute ist Soto in Familienbesitz und hat rund hundert Mitarbeiter. Wo immer möglich, werden regionale Rohstoffe verarbeitet, betonte der Wirtschaftsingenieur. Die vegetarischen und veganen Bio-Produkte, beispielsweise Falafel, Burger und Teigrollen, werden in Deutschland und in vielen europäischen Ländern vermarktet. Eine direkte Kooperation mit über einem Dutzend Landwirte vor Ort wie jetzt mit den Ökomodellregionen sei für seine Firma aber ein ganz neuer Weg, bei dem erst einige Hürden ausgeräumt werden mussten. Neu sei auch die Kooperation mit der ÖMR Würzburg, die die Kichererbsen aus Bayern liefert, denn für einen Anbau am Waginger See sei es dafür zu nass und zu kühl.
Nach der Vorstellungsrunde führte Bernhard Rehrl die Gruppe zu zwei seiner Flächen, auf denen sich der Mitte März gesäte Hafer in einem sehr guten Entwicklungsstand präsentierte. Der Biobauer berichtete, welche Sorte er verwendet und wie er den Boden bearbeitet hat, etwa dass er das Feld neben dem Hof vor der Aussaat gefräst hat. Nach dem Säen habe er nicht mehr gepflügt, weshalb viel Weidelgras zwischen dem Hafer gewachsen sei. Auf dem anderen Feld, das er in Thannhausen nördlich von Abtsdorf gepachtet hat, habe er im vergangenen Jahr als Vorfrucht ein Weizen-Erbsengemenge verwendet und nach der Aussaat gepflügt, weshalb auf dieser Fläche viel weniger Gras durchgekommen sei. Des Weiteren informierte Rehrl über seine Fruchtfolge, die Menge an verwendetem Saatgut und viele weitere Details. Die anderen Getreidebauern berichteten über ihre Erfahrungen und sprachen etliche weitere wichtige Faktoren wie Düngung und Unkrautregulierung an. So kam es bereits auf dem Feld zu vielen guten Gesprächen, die im Anschluss im Gasthaus Lederer in Surheim weitergeführt wurden.
Während des Austauschs beim Wirt erfuhr die Runde noch jede Menge an Wissenswertem. Zum einen gab es nützliche Infos hinsichtlich Anlieferung von Hafer, Beprobung und Ansprechpartner in der Mühle, zum anderen wurden Ideen für künftige Projekte mit Rohstoffen wie der Speiseackerbohne besprochen, die für die hiesige Region neu ist und sich bei genügend Niederschlägen gut anbauen lässt. Soto habe dafür, erklärte Einkaufsleiter Thomas Schernthaner, eine ganz neue Rezeptur entwickelt und sei gespannt, ob die Verbraucher das neuartige Produkt mit einer alten heimischen Eiweißquelle künftig auch annehmen würden. Das Ziel sei, sagte Marlene Berger-Stöckl, dass die Getreidebauern eine langjährige Liefergemeinschaft gründen, die ihr Rohstoffsortiment für den Verarbeiter schrittweise ausbauen könne.
Bei Bad Endorfer Firma steigt die Planungssicherheit
Die Vertreter von Soto informierten auch über ihre Planungen für 2025. Sie betonten, dass sie bereit seien, den Anbau neuer Rohstoffe zu begleiten und zu testen, ob und wie diese in ihre Produktpalette hineinpassen. Auf jeden Fall soll die Kooperation mit den Landwirten aus der ÖMR beibehalten, wenn nicht sogar ausgebaut werden. Denn, so das Chiemgauer Bio-Unternehmen nicht ohne Stolz, ein großes Handelsunternehmen, der Name darf noch nicht verraten werden, habe sie gerade aufgrund der Kooperation mit heimischen Biobauern als „nachhaltigen Musterlieferant für Bio-Fertigprodukte“ ausgewählt. Das gibt der Firma für die nächsten Jahre Planungssicherheit und ist auch für die hiesigen Biolandwirte eine ausgesprochen positive Nachricht. Wie im Nachgang zu erfahren war, lässt das Handelsunternehmen zu der Kooperation einen Werbefilm drehen und zwar nicht irgendwo, sondern in Berchtolding. Die Landschaft und der Blick in Richtung Berge seien einfach zu schön, so die Produktionsfirma. Der Drehtermin dürfte demnächst sein, noch bevor Bernhard Rehrl seinen Hafer Anfang August erntet.
Artikel von Karin Kleinert, Südostbayerische Rundschau vom 16.07.2024