Das Projekt wird von der Ökomodellregion Waginger See- Rupertiwinkel unterstützt.
Artikel von Hans Eder vom 01.10.2019 (Download)
Trostberg/ Traunstein/ Otting/ Chieming. Wer Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten ernten kann, der ist gut dran. Wer aber keine eigene Anbaufläche zur Verfügung hat und trotzdem Obst und Gemüse frisch vom Acker haben will, für den ist das Projekt „Solidarische Landwirtschaft“ (SoLaWi) von Kristine Rühl eine gute Alternative. Für einen festen Monatsbetrag bekommt man – ohne Zwischenhandel – allwöchentlich in den Abholstellen seinen Ernteanteil, und der Gärtner kann mit einem festen Kundenstamm kalkulieren. Ein solidarisches Miteinander ohne lange Wege und Verpackungsmüll mit direktem Kontakt zwischen Erzeuger und Kundschaft.
Seit zwei Jahren gibt es die Solidarische Landwirtschaft auch im Chiemgau. Alles begann 2015 mit einer Anbaufläche bei Tettenberg nahe Otting (Gemeinde Waging am See). Weitere Flächen bei Chieming kamen heuer dazu. Ab dem kommenden Jahr wird man ein weiteres Grundstück bei Trostberg bewirtschaften. Und: Neben den bisherigen Abholstellen in Tettelham bei Otting und im Campus St. Michael in Traunstein gibt es ab dieser Woche auch eine im Gebiet der Stadt Trostberg – in Bergham 5a nahe Heiligkreuz auf dem Moia-Hof von Jakob Aicher. Erster Abholtag ist am morgigen Freitag, 4. Oktober.
Ab 2020 gibt es auch noch Spargel aus Chieming
Angeboten wird eine breite Palette an Gemüse: Salate, Tomaten, Gurken, Paprika, Auberginen, Wurzelgemüse, ab kommendem Jahr auch Spargel. Das Obst stammt hauptsächlich von einem Obstanger bei Chieming, dazu kommen Johannisbeeren und Physalis sowie Kräuter und Tees. Zugekauft werden Kartoffeln vom Demeterbetrieb Franz Obermeyer in Tengling.
Die Partnerschaft zwischen Erzeuger und Verbraucher, besiegelt durch einen Jahresvertrag, gibt Sicherheit – sowohl für den Gärtner, dass er seine Produkte auch an den Mann beziehungsweise die Frau bringt, als auch für den Kunden, der sich auf beste Bio-Qualität und absolute Frische verlassen kann. Eine Reihe von freiwilligen Mitarbeitern – jeder ist dazu willkommen – leisten ihren Beitrag, die viele Arbeit zu bewältigen. Außerdem unterstützen einige Landwirte Kristine Rühls Arbeit großzügig.
Am Anfang stand der Demeter-Bauer Sepp Probst aus Außerlohen bei Chieming. Im Jahr 2018, als die SoLaWi Chiemgau erstmals an die Öffentlichkeit trat, stellte er seinen Obstanger mit fast 50 Bäumen zur Verfügung. Heuer überließ er Kristine Rühl zwei weitere Grundstücke, gut einen Hektar groß, als zusätzliche Anbauflächen, beide östlich von Chieming gelegen. Auch Landwirt Tom Drexl ging mit der engagierten Gärtnerin eine Kooperation mit seinen Spargelanbau-Flächen ein.
Weitere Unterstützung kam vom Campus St. Michael in Traunstein, der von Anfang an Räume für die Abholstelle zur Verfügung stellte. Inzwischen können Kristine Rühl und ihr Team den einstigen Gemüsekeller des Studienseminars nutzen, auch als Lagerplatz für nicht sofort benötigte Produkte. Neu ist jetzt die Zusammenarbeit mit einem weiteren Demeter-Bauern: Jakob Aicher aus Bergham bei Trostberg. Er stellt auf seinem Hof einen Raum für die Abholer zur Verfügung und bietet darin auch die von ihm produzierten Waren an: vor allem Leinöl und weitere Getreideprodukte.
Ihr schwäbischer Dialekt verrät Kristine Rühls Herkunft: Sie kam im Alter von sieben Jahren aus der Schillerstadt Marbach in Baden-Württemberg in den Chiemgau. Von Beruf ist sie Schneidermeisterin, führte zuletzt aber viele Jahre lang eine Werbeagentur, ehe sie begann, ihren Traum zu leben: Sie gründete eine biologisch-dynamische Gärtnerei. Zielstrebig bildete sie sich auf dem Gebiet weiter, ehe sie das Grundstück in Tettenberg erwarb und 2018 den Sprung in die SoLaWi wagte. Ihre Begeisterung und ihr Mut, Neues auszuprobieren, sind mitreißend. Die 53-Jährige arbeitet, wenn es sein muss, auch mal 16 Stunden am Tag. Auf ihre Schwielen an den Händen und die schwarzen Ränder unter den Fingernägeln ist sie stolz. Und wenn sie jetzt nach zwei Jahren zurückblickt auf das, was sie und ihre Mithelfer geschaffen haben, sagt sie aus vollem Herzen, dass sie es keine Minute bereut, sich an diese Mammutaufgabe gewagt zu haben.
Apropos Mithelfer: Als es 2018 so richtig los ging, half ihre Nichte Karoline Widur mit vollem Einsatz mit. Dazu kam ein Team aus acht Leuten, die zu festen Zeiten mit anpackten, vor allem am Donnerstagnachmittag und am Freitagvormittag zur Erntezeit, damit die Kunden dann ab 13 Uhr – beziehungsweise ab 14 Uhr in Bergham – ihre Waren an den Ausgabestellen abholen können. Heuer half der gelernte Gemüsegärtner Samuel Wolf aus Trostberg tageweise aus; er steigt jetzt in Vollzeit ein und versorgt auch die Abholstelle Trostberg. Drei Abholer gibt es dafür bereits.
Noch ist die Kapazität von Kristine Rühls Gärtnerei aber längst nicht voll ausgeschöpft, zumal die Anbauflächen ja wachsen. Etwa durch ein rund 6000 Quadratmeter großes Grundstück bei Bergham unweit der neuen Ausgabestelle – zur Verfügung gestellt von Familie Trattler aus Tettelham, die der Gärtnerei auf ihrem Hof bereits einen Raum für die Ausgabestelle für den Bereich Waging überlassen hat. Obst und Gemüse für 150 Abnehmer wird ab dem kommenden Jahr bei der SoLaWi Chiemgau produziert, weitere Kundschaft ist also willkommen.
Artikel von Hans Eder vom 01.10.2019