In den vergangenen 8 Monaten haben die beiden Köche viel Zeit am PC verbracht und dabei den Lebensmittel-Einkauf sowie die Speisepläne für täglich rund 100 Senioren analysiert. Sie tauschten sich intensiv mit Lieferanten aus, darunter die Aschauer Metzgerei Angermann, die Aschauer Bäckerei Bachhuber, Florian Anner von der Aschauer SoLawi Annerhof, die Käserei Plangger in Sebi und das Unternehmen Früchte Lermer in Siegsdorf. Sie besuchten das Bergbauernwagal in Frasdorf, die Molkerei Berchtesgadener Land in Piding und den Safthersteller ORO in Rohrdorf. Sie tüftelten in der Küche des Seniorenheims, um bestehende Rezepturen zu optimieren und neue Rezepturen auszuprobieren. Sie haben viele Gespräche mit den Heimbewohnern, mit dem Aufsichtsrat des Seniorenheims sowie mit den Bürgermeistern der Gemeinde Aschau geführt.
Doch welches Ziel hatten all diese Mühen? Westenthanner und Pellkofer wollten weg von den vielen Fertigprodukten in ihrer Küche. Sie wollten wieder Kochen wie früher, ehrlich und so, wie sie es als Köche gelernt haben. Mit guten Produkten, am besten aus der Region und in Bio-Qualität. Sie wollten schlichtweg wieder Freude an ihrer täglichen Arbeit haben.
In diesem Bestreben wurden die beiden Köche vom Einrichtungsleiter Wolfgang Rohrmüller tatkräftig unterstützt. Auch der Träger des Seniorenheims, die Gemeinde Aschau, und der Aufsichtsrat des Seniorenheims gaben Grünes Licht für eine Veränderung hin zu mehr Qualität bei der Verpflegung der Senioren.
Und so haben sich alle Beteiligten gemeinsam im Herbst 2024 dazu entschlossen, an einem BioRegio-Coaching teilzunehmen. Das Coaching ist ein Angebot für Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung und wird vom Bayerischen Landwirtschaftsministerium finanziert. Für die Durchführung des Coachings war Irmgard Reischl vom Landwirtschaftsamt Ebersberg-Erding verantwortlich. Sie ist Diplomökotrophologin und leitet das Sachgebiet Gemeinschaftsverpflegung. Bio-Spitzenkoch Christopher Hinze übernahm als Bio-Coach die praktische Beratung und gab den Köchen neue Rezepturen und wertvolle Tipps für die Großküche. Agrarökonomin Irmi Prankl von der Öko-Modellregion vermittelte das Coaching nach Aschau und unterstützte das Küchenteam bei der Suche nach bio-regionalen Lieferanten.
Stellschrauben für mehr Bio aus der Region bei gleichem Budget
Und die Mühen haben sich gelohnt! Statt Fertig-Buletten gibt es nun Fleischpflanzerl. Diese bestehen aus Bio-Rinderhack vom Bergbauernwagal in Frasdorf und aus Bio-Linsen. Letztere enthalten viel Eiweiß, Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe. Und: „Die Pflanzerl san so guad wie no nia!“. Die Fleischpflanzerl stehen exemplarisch für die 180-Grad-Drehung der Küche. Denn obwohl die Zutaten bei vielen Gerichten nun regional und biologisch sind, sind die Gerichte unterm Strich nicht teurer geworden. Es gibt sogar Gerichte, die mit regionalen Bio-Zutaten günstiger geworden sind: Wie bei den Fleischpflanzerln verwenden Westenthanner und Pellkofer nun auch beim Hackbraten und bei der Bolognese-Sauce zusätzlich zum bio-regionalen Hackfleisch auch einen Anteil an Bio-Linsen oder an regionalem Getreide. Alle Hackfleischgerichte mit Linsen oder Getreide sind im Einkauf günstiger geworden.
Die Rezeptkalkulationen zeigen auch, dass ein selbst gemachter Knödel mit Brot vom Bäcker Bachhuber günstiger ist als ein Convenience-Knödel. „Mit den Knödeln können wir nun auch übrig gebliebenes Brot verwerten und haben dadurch weniger Lebensmittelabfälle!“ so Pellkofer. Und das Essen wird auch bunter. Gab es vor dem BioRegio-Coaching den einen Convenience-Knödel, so gibt es jetzt neben dem Semmelknödel auch Spinat-, Tomaten- und Kaspressknödel. Letzterer wird mit Bio-Käse vom Plangger in Sebi zubereitet. Der Arbeitsaufwand für das Abdrehen der Knödel hält sich durch die Optimierung der Abläufe in der Küche in Grenzen. „Die Knödel- oder Fleischpflanzerlproduktion planen wir an Tagen ein, an denen wir freie Arbeitskapazitäten haben. Dann produzieren wir mehr, als wir für an dem Tag brauchen und frieren die fertigen Produkte für andere Mahlzeiten ein – quasi ein regionales und handgemachtes Fertigprodukt.“ so Westenthanner.
Erfolgreicher Abschluss des Coachings
Die Ergebnisse des Coachings können sich sehen lassen: Die Speisepläne erfüllen nun die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und die Küche des Seniorenheims ist seit Ende 2024 Bio-zertifiziert. Die Einkaufsanalysen zeigen deutliche Steigerungen beim Einkauf von biologischen und regionalen Lebensmitteln: Vor dem Coaching wurden keine bio-regionalen Produkte eingesetzt. Nun beträgt der Anteil von bio-regionalen Lebensmittel am gesamten Einkauf 10 Prozent. Der Anteil der Bio-Produkte ohne bayerische Herkunft wurde von einem Prozent auf 7 Prozent gesteigert. Der Anteil der Produkte, die aus Bayern stammen und nicht bio-zertifiziert sind, liegt bei 34 Prozent, das entspricht einer Steigerung von 4 Prozentpunkten seit Beginn des Coachings. Zieht man alle Ergebnisse zusammen, beträgt der Anteil an biologischen und/oder regionalen Produkten beim Abschluss des Coachings 50 Prozent des gesamten Wareneinkaufs. „Wir sind sehr stolz darauf, dass es im Aschauer Seniorenheim eine eigene Küche mit hervorragenden Mitarbeitern gibt. Wir freuen uns sehr darüber, dass Schorsch Westenthanner, Sebastian Pellkofer und das ganze Küchenteam ihren Fokus auf das handwerkliche Kochen legen und bereits die Hälfte aller eingekauften Produkte Bio/Regio sind! Uns ist es sehr wichtig, dass die Bewohner unseres Hauses qualitatives und geschmackvolles Essen genießen können.“ so Simon Frank, Erster Bürgermeister der Gemeinde Aschau bei der feierlichen Urkundenverleihung im Seniorenheim. Doch geht es nach Westenthanner und Pellkofer, sind die Ergebnisse nur vorläufig. Sie sind voller Freude beim Kochen und wollen sich auf den Ergebnissen des Coachings nicht ausruhen. Die Köche möchten die bestehenden Lieferbeziehungen zu den Betrieben in der Region stärken, ihr Netzwerk weiter ausbauen und den Bio-Regio-Anteil weiter steigern.