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Tierschutz in der Landwirtschaft – eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Einblicke und Perspektiven aus der Praxis

Projekt: Landwirt-Verbraucher-Dialog und Bewusstseinsbildung
Mann hält Vortrag
Martin Huber berichtet aus seiner Praxis-Perspektive
© ÖMR

Nicht pauschalisieren – sondern genau hinschauen

Gleich zu Beginn machte Huber deutlich, dass er nicht für alle Landwirtinnen und Landwirte spricht. Er wolle keine Einzelfälle bewerten, sondern über strukturelle Probleme sprechen – über Hintergründe, die oft übersehen werden. Denn wer nach tragischen Vorfällen nur nach mehr Kontrollen ruft, springt aus seiner Sicht zu kurz. „Wer einfache Lösungen sucht und die Verantwortung an einen Kontrollapparat abgibt, schaut nicht hin – und kann die Probleme nicht lösen“, sagte Huber.

Warum Nutztierhaltung gebraucht wird

Immer wieder wird öffentlich diskutiert, ob Tierhaltung überhaupt noch zeitgemäß sei. Für Huber ist klar: Ja, aber unter bestimmten Bedingungen. Wiederkäuer wie Kühe können Grünland in hochwertige Lebensmittel umwandeln – Flächen, die sich nicht für Ackerbau eignen. Würde man sie umbrechen, gingen wertvolle Ökosysteme verloren, es würde CO₂ freigesetzt und der Boden langfristig geschädigt. „Grünland ist ein CO₂-Speicher – mehr als Ackerland oder Waldboden“, erklärte er.

Auch im Nährstoffkreislauf spielen Tiere eine wichtige Rolle: Ihre Ausscheidungen dienen als natürlicher Dünger, fördern die Bodenfruchtbarkeit und unterstützen so auch die Biodiversität. Künstlicher Dünger könne das nur begrenzt ersetzen. Ohne Tierhaltung, so Huber, sei eine echte Kreislaufwirtschaft nicht möglich – und damit auch keine langfristig nachhaltige Landwirtschaft.

Hoher Druck in den Betrieben

Der Wandel hin zu tiergerechter Landwirtschaft ist aus Hubers Sicht richtig – aber herausfordernd. Viele Betriebe kämpfen mit Personalmangel, wirtschaftlichem Druck und wachsender Bürokratie. Wer Tiere hält, trägt Verantwortung an 365 Tagen im Jahr – ohne Urlaub, ohne „Krankmeldung“. Wenn dann familiäre Probleme, Krankheit oder wirtschaftliche Sorgen dazukommen, kann das schnell zur Überforderung führen.

Früher sprangen Nachbarn oder Dorfgemeinschaften ein – heute fehlt diese Unterstützung oft. Betriebshelfer sind rar und teuer. Und selbst wenn Landwirte bereit wären, Hilfe zu holen, fehlt häufig das nötige Einkommen. „Solange Tierwohlprodukte im Laden liegen bleiben und stattdessen das Billigfleisch gekauft wird, stimmt etwas nicht“, sagte Huber.

 

Strukturen hinterfragen – nicht nur Symptome bekämpfen

Ein weiteres Problem sei die Bürokratie: Dokumentationspflichten wachsen, digitale Systeme werden zur Hürde. Gleichzeitig sei die staatliche Beratung ausgedünnt worden. Huber forderte eine Rückkehr zu unabhängiger, kostenloser Beratung – etwa in Kooperation mit Organisationen wie dem Maschinenring oder Bioverbänden. Auch in der Ausbildung müsse das Wissen um nachhaltige Kreisläufe wieder stärker vermittelt werden.

Förderprogramme sollten nicht nur auf Produktivität, sondern auch auf Nachhaltigkeit und Resilienz zielen. Die Realität in den Ställen sei oft weit entfernt von der Theorie in Förderformularen.

Gemeinsam Verantwortung für Ernährungssouveränität übernehmen

Die Landwirtschaft in der Region geht uns alle etwas an, denn für ein resilientes Nahrungsmittelsystem braucht es die kleinstrukturierten landwirtschaftlichen Betriebe in unserer Region.

Zum Schluss appellierte Huber an alle Beteiligten: Tiertragödien sind nicht nur Ausdruck von Tierleid – sie zeigen auch menschliche und soziale Notlagen. Mehr Kontrolle allein reiche nicht, wenn die Ursachen nicht verstanden und bekämpft werden. Hoffnung macht ihm, dass das Bewusstsein für Überlastung und Burnout unter Landwirtinnen und Landwirten wachse – und dass es mittlerweile mehr Beratungsangebote gebe.

„Wenn wir eine Landwirtschaft wollen, die Tiere, Umwelt und Menschen respektiert, dann müssen wir gemeinsam hinschauen – und gemeinsam handeln“, sagte er. Bequeme Scheinlösungen würden nicht weiterhelfen. Was es brauche, sei ein ehrlicher Blick auf die Realität – und den Willen, gemeinsam zu verändern.

 

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