Der studierte Veterinär, der sich seit über 20 Jahren mit der Regulierung und Risikobewertung gentechnisch veränderter Organismen befasst, wurde von der „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“, von beiden Ökomodellregionen und dem Bund Naturschutz Altötting eingeladen. Der Verein „Testbiotech“, für den er tätig ist, verfolgt seit 2008 den Stand der Forschung und die Risiken alter wie neuer Gentechniken und wird dabei vor allem von Stiftungen unterstützt. Then versuchte, die vielen Fragen, moderiert von Gerhard Merches vom BN, möglichst verständlich zu beantworten. Rita Huber von der Regionalgruppe der AbL begrüßte eingangs die Zuhörer und brachte ihre Zweifel an der sorglosen Haltung der EU in Bezug auf die „neue Technik“ zum Ausdruck.
„Die Genschere
(„Neue Gentechnik“ NGT oder Crispr Cas Verfahren) ermöglicht es,
Erbgutfunktionen und damit Eigenschaften von Pflanzen und Tieren gezielt
auszuschalten. Sie kann aber auch
weiterhin neue Abschnitte ins Erbgut transportieren und Pflanzen oder weitere
Lebewesen zielgerichteter verändern, als es mit der alten Gentechnik je möglich
war“, so Then. „Gentechnisch veränderte Lebewesen müssen im Sinne der EU-weit verankerten
Vorsorgepflicht vor einer Freisetzung auf ihre Eigenschaften getestet und somit
auch weiterhin einem Zulassungsverfahren unterworfen werden“, forderte er. Denn
während die Veränderung an einem oder mehreren Genen mit der Genschere noch vorhersagbar
ist, sind die Auswirkungen auf das gesamte Erbgut (Genom) nur teilweise vorhersehbar,
und noch weniger ist es das Zusammenspiel der gentechnisch veränderten Pflanzen
mit ihrer Umwelt.
Warum dieses
Zusammenspiel wichtig sein sollte, machte Then an Beispielen deutlich. Wenn
sich die Blüh- und Fruchtzeiten von Kulturpflanzen, Wildpflanzen und Bäumen
verändern, wie das in vielen Projekten versucht wird wie z.B. an manipulierten
Pappeln, die alle vier Monate blühen, funktioniert das Zusammenspiel mit Insekten,
die Pollen brauchen, oder mit Bestäubern von Nutzpflanzen nicht mehr. Ein
anderes Beispiel ist manipulierter Industrieöl-Leindotter, der seine Omega
3-Fettsäuren verloren hat und so für eine bessere Haltbarkeit des Öls sorgt bzw.
als Agrosprit besser geeignet sein soll – der Nachteil ist aber: Es könnte zu
einer Vermischung mit dem herkömmlichen Leindotter kommen, wodurch das
bisherige hochwertige Speiseöl für den Menschen unbrauchbar werden könnte.
Außerdem brauchen Bestäuber die ungesättigten Fettsäuren, die sie über den
Pollen aufnehmen, zum Schutz ihrer Gesundheit und ihrer Nachkommen. „Die unkontrollierte
Freisetzung des Industrieleindotters wäre somit ein aktiver Beitrag zum
Bienensterben“, wie ein Zuhörer kommentierte.
Besonders bedenklich:
Wenn es nach dem jetzigen Willen von EU-Kommission und EU-Parlament geht,
müssen auch Pflanzen bzw. deren Ernte, die durch Crispr/Cas in ihren
Inhaltsstoffen stark verändert sind, keine umfassende Risikoprüfung mehr
durchlaufen, um mögliche ungewollte Wirkungen, die durch die
Gentechnikverfahren bedingt sind, genauer zu untersuchen. Ein Beispiel ist eine
Crispr-Tomate mit erhöhtem Gehalt an Gamma-Amino-Buttersäure („GABA-Tomate“),
die blutdrucksenkend wirken soll und in Japan schon im Handel ist, ohne dass
Wirkungen und Nebenwirkungen eingehend untersucht wurden. Ein anderes Beispiel
ist Reis, bei dem bestimmte Eiweißstoffe in den Körnern stark verringert
werden, wodurch aber der Gehalt an anderen Proteinen steigt. Hier müsste u.a.
das Risiko für Allergien genau untersucht werden. Doch EU-Parlament und
EU-Kommission wollen auf die bisher verpflichtend vorgeschriebene Risikoprüfung
gentechnisch veränderter Pflanzen verzichten.
„Macht die
Genschere mit ihren Veränderungen nicht das Gleiche, was in der Natur seit
Jahrmillionen passiert?“, lautete eine Frage aus dem Publikum. „Nein“,
verdeutlichte Then, denn bei natürlichen Mutationen (Veränderungen im Erbgut) gebe
es unter anderem Reparaturmechanismen, die durch die Genschere gänzlich umgangen
werden können. Spontane Mutationen führten in der Natur zu Pflanzenbeständen
mit großer genetischer Vielfalt. Treten dabei neue Eigenschaften auf, kann sich
der Bestand im Wechselspiel mit seiner Umwelt über lange Zeiträume an
verschiedene Anforderungen anpassen. Dagegen werden mit der Genschere neue
Eigenschaften in Arten eingebracht, die nicht durch die Evolution angepasst
sind und bei massenhaften Freisetzungen die Ökosysteme überfordern können.
Zudem drohe
eine weitere Abnahme der Biodiversität auf dem Acker und eine Einschränkung
bisheriger Zuchtmöglichkeiten. „Die herkömmliche Züchtung wird schon jetzt
durch eine Flut von Patenten auf Wildpflanzengene, die sich die großen
Züchtungsfirmen über eine Kombination mit der Genschere sichern, blockiert“. Die
konventionellen Züchter sind so durch die Crispr-Patente betroffen. Für
Landwirte droht eine Verteuerung ihres Saatguts über Patentrechte.
Aber hat die EU
nicht gerade die Patenterteilung auf Pflanzen aus neuen Gentechniken verboten?
„Rechtlich gesehen hat die EU gar nicht die Möglichkeit, darauf Einfluss zu
nehmen, denn die Zuständigkeit dafür liegt beim Europäischen Patentamt“, so
Then. Bereits seit 1998 wurde der früher geltende Grundsatz „Kein Patent auf Leben“
auf europäischer Ebene ausgehebelt und fand Eingang ins Patentrecht von 39
Staaten, auch über die EU hinaus, die damit synchron ihre Gesetzgebung neu
justieren müssten – fast eine Unmöglichkeit. Umso wichtiger sei es deswegen,
dass die bestehenden Verbote der Patentierung konventioneller Züchtung
konsequent umgesetzt werden und die Patente strikt auf die gentechnischen
Verfahren begrenzt werden.
Neue Gentechnik
beschränkt sich nicht auf Pflanzen, sondern betrifft alle Lebensformen. Einer
japanischen Fischart wurden soviele Muskelpakete angezüchtet, dass es bei den Tieren
zu einer Fehlstellung der Wirbelsäule kommt. Brasilien hat den Einsatz
gentechnisch veränderter Bakterien bei Geflügel zugelassen, auch für Bakterien
im menschlichen Darm sind Anwendungen geplant. „Wenn sich das Mikrobiom im Darm
über Gentechnik verändert, kann unter anderem das Immunsystem entgleisen“, so
der Referent.
„Unsere
bisherigen Haftungsregeln waren ganz entscheidend für das Fernhalten der grünen
Gentechnik in Europa“, warf Sepp Rottenaicher, früher Umweltbeauftragter der
Diözese, in der Diskussion ein. „Das gentechnikfreie Europa war eine
Erfolgsgeschichte. Wir brauchen auch in Zukunft eine klare Kennzeichnung der
Gentechnik, ob neu oder alt, und wir brauchen Haftungsregeln“. Die Veranstalter
bedankten sich beim Referenten nach einem intensiven Diskussionsabend mit bäuerlichen
Erzeugnissen aus den beiden Ökomodellregionen, „garantiert gentechnikfrei“.