Tengling. In diesem Jahr feiert die biodynamische Landwirtschaft ihr hundertjähriges Bestehen. Der Bio-Anbauverband Demeter steht laut eigener Aussage für eine Landwirtschaft im Einklang mit der Natur. Dem hat sich auch der Tenglinger Franz Obermeyer verschrieben, der als einer der ersten in der Region vor 33 Jahren seinen Betrieb nach den Demeter-Richtlinien umstellte.
Die Demeter-Form der ökologischen Landwirtschaft basiert auf den Ideen und Lehren des Anthroposophen Rudolf Steiner. Sie wurde in den 1920er Jahren entwickelt und verbindet biologische Anbaumethoden mit einem spirituellen und ganzheitlichen Ansatz. „Diese Form zielt darauf ab, nachhaltige und umweltfreundliche Landwirtschaftspraktiken zu fördern, die nicht nur die Gesundheit von Boden und Pflanzen, sondern auch die des Menschen berücksichtigen“, erklärte Obermeyer seinen Gästen im Stadel seines Anwesens.
Nicht die Pflanze wird ernährt
Biodynamische Produkte seien durch das Demeter-Siegel gekennzeichnet, das strenge Standards für die Produktion und Verarbeitung biodynamischer Lebensmittel garantiere, sagte er, ehe er näher auf die Erfolgsgeschichte des ältesten Bio-Labels der Welt einging.
Die Düngung basiere auf dem Prinzip der Bodenverlebendigung und der Förderung der Bodenfruchtbarkeit durch natürliche Prozesse und Präparate. “Man ernährt das Bodenleben und nicht die Pflanzen direkt.“ Dieses Prinzip werde durch den Einsatz spezieller biodynamischer Präparate umgesetzt, die aus natürlichen Materialien wie Kuhdung oder Pflanzenteilen hergestellt werden, sagte Obermeyer. Ein zentrales Präparat sei der Horn Mist, bei dem frischer Rindermist in Kuhhörnern über den Winter vergraben werde. Dieses Präparat fördere die Bodenfruchtbarkeit. Der Landwirt verwende es vor oder während der Aussaat, um das Keimen und die Wurzelentwicklung zu unterstützen. Ein weiteres wichtiges Präparat sei der Hornkiesel, der aus fein vermahlenem Quarz bestehe und die Pflanzenentwicklung positiv beeinflusse, indem er die Licht- und Wärmeaufnahme verbessere. Zusätzlich zu diesen Spritz- kommen auch Kompostpräparate zum Einsatz, die man aus Heilpflanzen wie Schafgarbe, Kamille und Brennnessel gewinnt.
„Ohne Wiederkäuer und ihren organischen Dünger ist eine Landwirtschaft, die auf Humusaufbau und Erhalt der Bodenfruchtbarkeit fußt, auf Dauer nicht möglich“, so lautete ein wichtiger Grundsatz von Steiner. Demeterbetriebe halten entweder selbst Tiere, oder sie arbeiten in einer Kooperation mit einem tierhaltenden Betrieb zusammen. Franz Obermeyer hält Milchkühe, die behornt in einem Laufstall stehen und außerdem Zugang zu einer Weide haben.
Der bayerische Erfolg von „Rettet die Bienen“ habe große Hoffnungen geweckt, so Obermeyer. Trotz dieses beispiellosen Massenbekenntnisses für mehr Natur- und Artenschutz und der anfänglichen Euphorie sei wenig davon geblieben, monierte der Demeter-Bio-Landwirt. „Im Grunde geht es uns Bauern darum, dass der wahre Preis von Lebensmitteln genannt werden sollte. Dieser steht meist nicht auf dem Etikett.“ Die Subventionen für die Landwirtschaft zielten nach wie vor auf Masse, nicht auf Qualität, und die Bauern würden geradezu zur Überproduktion gedrängt. Die Folge: Die Wertschätzung für die Produkte gehe angesichts der ständigen Verfügbarkeit verloren. „Deshalb wird auch so viel weggeschmissen.“
Bei hochsommerlichen Temperaturen ging´s hinaus auf die Felder von Obermeyers Hof, besser bekannt als „Schröckenbauer-Hof“. Der Landwirt setzt auf den Anbau von Kartoffeln und Getreidesorten, die in der konventionellen Landwirtschaft eher weniger genutzt werden: Dinkel, Emmer, Waldstauden-Roggen, Buchweizen, Braunhirse, Einkorn oder Winterweizen. Aktuell hat er auch ein Stück Land mit einer alten Sorte des Sommerweizens, dem Khorasan-Weizen, bestellt. Zudem kultiviert er heimische Kulturpflanzen wie Erbsen und Linsen oder Pflanzen wie Leindotter und Leinsamen, aus denen sich wertvolle Öle pressen lassen.
"Ähnlich wie Linsen gedeihen Erbsen sehr gut im Gemenge mit einer Getreideart, an der sich die Eiweißpflanzen hochwinden können", erklärte der Landwirt am Feld im Tenglinger Ortsteil Egart stehend. Trotz mehrerer Starkregenereignisse im letzten Jahr, die unmittelbar nach der Ernte unerwartet viel Humus in den unteren Teil des Ackers gespült haben, reiften die Erbsen zwischen Hafer und Gerste recht gut. „Dieses Jahr sind die Erbsen schon gelb. Normalerweise sind sie erst zusammen mit Hafer und Gerste so weit, dass sie geerntet werden können.“ „Auch die Linsen gedeihen hier wie in anderen Gebieten mit niederschlagsreichen Sommern im Gemengeanbau mit einer Stützfrucht. Die zarten Pflanzen neigen sonst stark zum Lager und machen eine Ernte nahezu unmöglich.“ Der Anbau im Gemenge erfordert jedoch später eine aufwändige Reinigung und Trennung des Ernteguts. Derzeit verwende man am häufigsten kurzstrohige Hafersorten und Nacktgerste als Stützpflanzen, da sie der konkurrenzschwachen Linse genügend Raum lassen und sich gut vom Erntegut trennen lassen.
Die Flurbegehung führte auch zu einer Fläche mit Waldstauden-Roggen, einer Urform des Roggens, die mehrjährig ist und somit mehrere Jahre hintereinander beerntet werden kann. Dabei bleibt der Boden ganzjährig bedeckt. Die Körner sind kleiner als beim normalen Roggen. Zwischen den Roggenhalmen blühte der rote Inkarnat-Klee, der große Mengen zuckerreichen Nektars produziert, den Honigbienen zu sortenreinem Kleehonig verarbeiten.
Braunhirseanbau: „Im Rupertiwinkel einmalig“
„Obwohl Waldstaudenkorn Gluten enthält, ist es so gut verträglich, dass manche Menschen mit Glutenunverträglichkeit das Waldstaudenkornbrot essen können“, so Obermeyer. Der Nackthafer wachse besonders gut heuer, und auch die Braunhirse gedeiht. „Der Anbau von Braunhirse dürfte im Rupertiwinkel einmalig sein“, betonte die Managerin der Ökomodell-region Waginger See-Rupertiwinkel, Marlene Berger-Stöckl. „Braunhirse sollte am besten kalt vermahlen und gegessen werden, da sie sehr viele Mineral- und Ballaststoffe enthält und besonders gut für die Gelenke sein soll.“ Sie füge sich auch gut in die Fruchtfolge ein, „weil sie einer ganz anderen Pflanzenfamilie angehört als unsere herkömmlichen Getreidearten“. Obermeyer baut zudem verschiedene Kartoffelsorten an. Einen Anblick wie aus dem Bilderbuch bot das Areal mit dem Lichtkornroggen, ein hoher, heller Roggen, der trotz des vielen Regens nicht ins Lager gegangen war.
DEMETER: Deutschlands ältester Bioverband
Die Geschichte von Demeter begann 1924 in Koberwitz im heutigen Polen. Auf einem Landgut hielt Rudolf Steiner eine Reihe von Vorträgen, die die Grundlage für die biologisch-dynamische Landwirtschaft bilden. Eine Gruppe von Landwirten hatte sich hilfesuchend an Rudolf Steiner gewandt, da sie festgestellt hatten, dass die Widerstandsfähigkeit und Qualität von Saatgut und die Ernährungsqualität abnahm und vermehrt Krankheiten auftraten. Zudem sorgten sie sich über die negativen Auswirkungen der aufkommenden agroindustriellen Praktiken und den Einsatz chemischer Düngemittel.
Steiner zeigte ihnen in seinen Vorträgen einen Weg auf, im Einklang mit der Natur zu wirtschaften. Vier Jahre nach dieser Initialzündung entstand 1928 die Marke „Demeter“, benannt nach der griechischen Göttin der Fruchtbarkeit der Erde, des Ackerbaus, der Ernte, des Getreides und der Saat. Die ersten Demeter-Richtlinien wurden festgelegt. Wissenschaftler und Bauern entwickelten Rudolf Steiners Anregungen und Theorien über viele Jahre stetig weiter.
Artikel von Anneliese Caruso, Südostbayerische Rundschau vom 31.07.2024