Waging am See. Die alljährliche Biogenuss-Radltour der Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel erfreute sich auch in diesem Jahr großer Beliebtheit. Knapp 90 begeisterte Radfahrer machten sich auf, um die malerische Landschaft rund um den Waginger See zu durchqueren und tiefere Einblicke in die vielfältigen Facetten der Bio-Landwirtschaft zu gewinnen. Nach dem Grußwort von Bürgermeister Matthias Baderhuber, Vorstandssprecher der Ökomodellregion, startete die Tour und bot eine wunderbare Gelegenheit, nicht nur die Schönheit der Region zu erleben, sondern auch die Menschen kennenzulernen, die mit Leidenschaft biologische Lebensmittel von hoher Qualität aus und für die Region produzieren. Diese wiederum nutzten die Gelegenheit, um ihre Überzeugungen und ihre Betriebsphilosophie zu vermitteln.
Die Führungen erstreckten sich über verschiedene landwirtschaftliche Bereiche – von der Milchviehhaltung und Weiderindermast über den ökologischen Obstanbau bis hin zu Mischkulturen im Gemüseanbau. Obwohl der Rupertiwinkel traditionell von Grünlandwirtschaft und Milchviehhaltung geprägt ist – mit einem Schwerpunkt auf Milch, Milchprodukte und Rindfleisch –, widmen sich junge Leute auch dem Anbau fast vergessener Obst- und Gemüsesorten. Diese Entwicklung verdeutlicht, wie lebendig die Bio-Idee in der Region gelebt wird.
Fachkundige Gäste der Tour waren der ehemalige leitende Forstdirektor Alfons Leitenbacher und Jürgen Sandner, Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbands Traunstein. Mit dabei waren. Mit dabei waren, wie bereits erwähnt, Bürgermeister Matthias Baderhuber aus Waging und seine Stellvertreterin Christine Rehrl, Tachings Bürgermeisterin Stefanie Lang und Pettings Bürgermeister Karl Lanzinger.
Die extensive Weidehaltung biete zahlreiche Vorteile – ökologisch, wirtschaftlich und im Hinblick auf das Tierwohl, war bei der ersten Betriebsbesichtigung beim Aichbauern in Petting zu hören. Durch die Beweidung großer Flächen bei nicht zu hoher Tierdichte entstünden hochwertige Lebensmittel und nebenbei vielfältige Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Bernhard und Verena Leitenbacher führen ihren Hof als klassischen Biomilchviehbetrieb im Vollerwerb mit Kühen und Jungviehaufzucht, der dem Bioanbauverband „Naturland“ angehört. Ihre Milch liefern sie an die Molkerei Berchtesgadener Land.
Keine Höchstleistungen, dafür gesund und langlebig
„Unsere Milchkühe bekommen kaum Kraftfutter und fressen hauptsächlich Gras und Heu. Sie erbringen keine Höchstleistungen, dafür sind sie gesund und langlebig, wir haben niedrige Tierarztkosten“, betonte Leitenbacher, neben seiner sechzehn Jahre alten Milchkuh „Elke“ auf der Weide stehend. Seine Milchkühe, Jungtiere und Kälber haben viel Bewegungsfreiheit und leben in einer Umgebung, die ihrem natürlichen Verhalten entspricht. „Wenn Kühe wählen könnten, blieben sie im Hochsommer lieber im kühlen Stall, anstatt auf die Weide zu gehen", erläuterte er. Deshalb verbringen seine Tiere die Sommernächte draußen und sind tagsüber im Laufstall.
Die Bio-Weidehaltung erfülle die hohen gesellschaftlichen Erwartungen an das Tierwohl in der Nutztierhaltung, ergänzte Berger-Stöckl. „Was viele Menschen nicht wissen: Biobetriebe mit Rinderhaltung weisen nach einer zehnjährigen Studie der TU München die beste Klimabilanz aller Betriebszweige auf, sie verzichten auf Mineraldünger oder Soja aus Übersee, deshalb dürfen wir guten Gewissens heimische Biomilchprodukte und Bio-Rindfleisch essen“, betonte sie.
Dass die Familie Leitenbacher auch großen Wert auf den traditionellen Rupertiwinkler Baustil und das Erscheinungsbild legt, wurde beim Rundgang durch den Hof, Stall und das darüberliegende Heulager deutlich. „Hier hat mein Vater damals schon die richtigen Bauentscheidungen getroffen“, so der junge Betriebsleiter. „Wir haben seit der Hofübernahme und Umstellung auf Bio weitere zwölf Jahre lang unseren Stall und die Gebäude schrittweise modernisiert“.
Nach der Führung durch Hof und Weide lud die Familie Leitenbacher zur Verkostung mit Bio-Produkten der heimischen Molkerei auf die Terrasse.
Beim nächsten Stopp besuchte die Gruppe den Betrieb „Schloss Gessenberg Obstweine“ Der gehört der Familie Zachow, die vor einiger Zeit das Anwesen Seeberg 1 am Ufer des Waginger Sees in Petting erworben, die alten Gebäude liebevoll renoviert, darin Ferienwohnungen geschaffen und rundherum Obstgärten angelegt hat. Dort erleben nicht nur Quitten, die als Obstart in den letzten Jahren an Bedeutung verloren haben, sondern auch Birnen, Mispeln und Walnüsse eine wahre Renaissance.
Wahre Offenbarung für den Gaumen
Während eines Spaziergangs durch die Streuobsthochstämme und Quittenbäume erläuterte Kathinka Zachow, die Frau von Alexander Zachow, zunächst die Besonderheiten des Anbaus von Quitten, die sich nicht für den Rohverzehr eignen. Erst durch das Garen entfalte die Quitte ihr volles Aroma, erklärte sie und ging auf die aufwändige Verarbeitung sowie die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Früchte ein. Neben der klassischen Marmelade oder dem Gelee sei auch der selbstgemachte Saft oder Wein eine wahre Offenbarung für den Gaumen. Davon durfte sich die Radgruppe im Weinkeller des Anwesens anhand von Kostproben einen Eindruck verschaffen.
„Ein Birnbaum gedeiht am besten an sonnigen, warmen Standorten“, erläuterte Zachow weiter, ehe sie detailliert auf die Bearbeitung der Böden einging. Die Pflege der Baumstreifen erfolge wie im Apfelanbau: Es werden geeignete Bodenbearbeitungsgeräte eingesetzt, die den Boden nicht verdichten. Sie informierte auch über Birnensorten, das Pflanzen und die Kultivierung der Bäume, über Krankheiten und Schädlinge, über die Ernte und die Verwendung von Birnen. Anschließend lud sie zur Verkostung von Quittenwein und allerlei Köstlichkeiten, in den soeben fertiggestellten neuen Hofladen ein.
Zum gemeinsamen Mittagessen ging es auf den Hof vom „Bio-Michi“ in Watzing. Nach dem Essen, das die Familie Steinmaßl aus hofeigenen Produkten zubereitet hatte, erfuhren die Gäste, dass der Gemüsehof eine beachtliche Vielfalt bietet. „Wir haben rund 50 verschiedene Sorten an Bio-Obst und -Gemüse vom eigenen Feld“, erzählte er beim Gang durch die Gemüsefelder. Der Anbau erfolge nach den Richtlinien von Bioland. Die Direktvermarktung über Märkte und einen eigenen Laden mache den Betrieb im Vollerwerb rentabel, darüber hinaus vermarkte er an einzelne Gastronomen und Kantinen. Er verwende Kleegrassilage zum Mulchen und Ökodünger aus dem eigenen Rinderstall. Im Ökolandbau gehe es nicht ohne Grünland und damit ohne Tiere, denn Hangflächen wie neben seinem Gewächshaus könnten nicht ohne große ökologische Schäden in Ackerland umgewandelt werden.
Letzter Stopp war das „Bio-Sacherl“ der Familie Kleinwötzl am Rehwinkel in Lampoding. Michael Kleinwötzl erläuterte, wie stolz die frühere Generation auf ihre mühsam aufgebaute Herde mit 14 Milchkühen war. „Damals konnte man gut davon leben, heute geht das nicht mehr“. Stattdessen hält der Hof heute im Nebenerwerb eine kleine Mutterkuhherde, gekreuzt aus seltenen alten Rassen wie den „Pustertaler Sprinzen“ und den heimischen Pinzgauern, und zieht die Jungtiere selbst auf, bis sie im Alter von etwa drei Jahren, nur vom Grünland gefüttert, schlachtreif sind. Auch eine kleine Herde Schwarzer Juraschafe garantiert die sinnvolle Weiternutzung des Grünlands. Über einen einheimischen Metzger werden die wenigen Tiere vermarktet. „Man muss schon Idealist sein, um sich in der heutigen Zeit neben einem auswärtigen Arbeitsplatz daheim um die Tiere, das Zäunen, die Futterbeschaffung, um Maschinen und Stall zu kümmern“, betonte Berger-Stöckl beim Rundgang mit Michael und Kathrin Kleinwötzl. „Ohne Idealisten wie euch, die ihren Hof im Nebenerwerb weiterführen, würde noch mehr Grünland bei uns letztlich entwertet oder zugebaut werden. Unter Grünland wird deutlich mehr Kohlenstoff gespeichert als unter Ackerland“.
„Wir brauchen fruchtbare Böden, sauberes Wasser und eine reichhaltige Artenvielfalt, damit Landwirtschaft unsere Ernährung sichern kann. Und wir brauchen BürgerInnen, die die viele Arbeit unserer Biobetriebe wertschätzen.“ Berger-Stöckl hofft, dass sich die kleinen Bauernhöfe erhalten und Bio-Hofläden oder Bauernmärkte wieder mehr Zulauf bekommen.
Bio-Kekse unter reich tragenden Obstbäumen
Im idyllischen Garten unter reich tragenden Obstbäumen schloss sich ein reichhaltiges Biokuchen-Buffet vom hofeigenen Obst der Familie Kleinwötzl an. Dort stellte auch Yvonne Liebl, die in Kirchanschöring ein Catering-Unternehmen betreibt, ihre Bio-Kekse aus Laufener Landweizen vor.
Zum krönenden Abschluss führte die Tour zum Aussichtspunkt Bicheln auf einer Anhöhe bei Tettenhausen. Von dort aus bot sich ein atemberaubender Blick über den Waginger See und die umliegenden Berge. Es wurde deutlich, warum diese wunderschöne Landschaft oft als Filmkulisse dient – etwa für die beliebte BR-Serie „Dahoam is Dahoam“. Ein perfekter Abschluss für einen Tag voller Natur, Kulinarik und unvergesslicher Eindrücke.
Letztlich waren sich viele der Ausflügler einig, dass sie zum einen von den Betrieben auf der Biogenuss-Radltour viele neue Informationen bekommen haben, und dass zum anderen jeder kleine Schritt zählt, wenn es um den Schutz unserer Erde geht, von der wir leben.