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Obstanger mit alten Sorten angelegt

Neuer Tummelplatz der Artenvielfalt in Großscherzhausen – Spendenscheck der Schlossbrauerei Stein

Projekte: Öffentlichkeitsarbeit, Streuobst und Artenschutz
Dicker Nebel hat sich am Tag der Pflanzaktion über Großscherzhausen gelegt.   Interessiert lauschten die Landwirtschaftsschüler den Ausführungen von Carsten Voigt, der erklärt, warum er den jungen Bäumen eine Verbiss-Manschette aus Holz anlegt.
Dicker Nebel hat sich am Tag der Pflanzaktion über Großscherzhausen gelegt. Interessiert lauschten die Landwirtschaftsschüler den Ausführungen von Carsten Voigt, der erklärt, warum er den jungen Bäumen eine Verbiss-Manschette aus Holz anlegt.
© Anneliese Caruso
Für den Erhalt von Streuobstwiesen kämpfen aber auch die Gemeinden, die in der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel (ÖMR) organisiert sind, und Verantwortliche der Traunsteiner Landwirtschaftsschule. Gemeinsam mit den Studierenden der Landwirtschaftsschule organisierten der Landschaftspflegeverband und die ÖMR daher eine Obstbaum-Pflanzaktion im Waginger Ortsteil Großscherzhausen, auf dem Anwesen der Familie von Matthias und Sigi Baderhuber. Matthias Baderhuber ist nicht nur der Bürgermeister der Marktgemeinde Waging am See, vielmehr teilt er sich mit Stefanie Lang auch den Posten des Ersten Vorstandssprechers der ÖMR. Da die Schlossbrauerei Stein in Stein an der Traun die Arbeit des Landschaftspflegeverbandes regelmäßig nicht nur ideell, sondern auch finanziell unterstützt, war auch deren Geschäftsführer Markus Milkreiter mit von der Partie, um einen Spendenscheck an die Vertreter des Landschaftspflegeverbandes zu übergeben. Das Geld fließt heuer schwerpunktmäßig in Streuobstwiesenprojekte und in die Pflege artenreicher Wiesen im Rupertiwinkel.

Ehe es zur Pflanzstelle, einer baumfreien am Hang gelegenen Weide, auf dem Anwesen ging, trafen sich alle im Hof von Sigi und Matthias Baderhuber. Der Hausherr hieß die Gäste willkommen. Er begrüßte neben den 15 Studierenden des 1. Semesters der Landwirtschaftsschule Traunstein auch deren Lehrerin Regina Bernhart, die zugleich eine vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ALF) Traunstein beauftragte Ansprechpartnerin für Wildlebensraum ist.
Ein weiterer Gruß galt Hans Zens, dem AELF- Bereichsleiter und Leiter der Landwirtschaftsschule Traunstein. Neben Markus Milkreiter begrüßte Baderhuber auch die Projektleiterin der ÖMR, Marlene Berger Stöckl, und die Vertreter des Landschaftspflegeverbandes Traunstein: den Vorsitzenden Markus Fröschl, den Geschäftsführer, Diplom Ingenieur (FH) für Landespflege, Jürgen Sandner und Diplom Ingenieur für Landschaftsplanung, Carsten Voigt.
Markus Milkreiter hob hervor, dass die Schlossbrauerei Stein erfolgreich mit dem Landschaftspflegeverband zusammenarbeite und dessen Projekte gerne auch finanziell unterstütze. Die Schlossbrauerei verarbeite Braugerste, die ausschließlich aus der Region komme. Dies garantiere kurze Wege sowohl bei der konventionell angebauten als auch bei der von der Brauerei verwendeten Braugerste, die aus ökologischem Anbau stammt. „Bei der Öko-Braugerste arbeiten wir erfolgreich mit der Ökomodellregion zusammen.“ Verantwortungsvolles und nachhaltiges Handeln nehme in der Schlossbrauerei traditionell eine große Bedeutung ein.

Landwirtschaftsschule neuer Partner

„Die Gemeinschaftsaktion bietet erneut Gelegenheit, die gute Zusammenarbeit mit der ÖMR aufzuzeigen“, sagte Jürgen Sandner. Er freue sich über den neuen Partner, die Landwirtschaftsschule in Traunstein, die er zum ersten Mal bei einer Streuobstbaum-Pflanzaktion willkommen heißen dürfe. „Die Studierenden pflanzen heute zehn Obstbäume, bei denen es sich um alte, regionale Sorten handelt.“ Heute wolle man das Knowhow zur Pflanzung der ökologisch so wertvollen Obst-Hochstämme geben. Idealer wäre es gewesen, schon vor 50 Jahren mit dem Pflanzen und Nachpflanzen von Streuobstbäumen zu starten, da dies zum Erhalt der Biodiversität beitrage, die heute allerorts vermisst werde.

Markus Fröschl zeigte sich stolz auf die „einzigartige Kooperation“ mit die Schlossbrauerei. „Ich hoffe, dass das auch in Zukunft so bleibt“.

Noch immer gelten Streuobstwiesen als stark gefährdet. Ob sie eine Zukunft haben, hängt maßgeblich davon ab, ob genug Menschen dazu bereit sind, Zeit und Energie in die Pflege zu investieren. „Die Landwirte sind im Zwiespalt, weil sie ja möglichst effektiv arbeiten sollen“, räumte Hans Zens ein. Mittlerweile seien Landwirte aber überzeugt, dass Aktionen zugunsten des Erhalts der Artenvielfalt helfen, ein positives Bild von ihrer Branche mitzuprägen. „Die Öffentlichkeit nimmt wahr, dass Bauern und Landwirte etwas für die Umwelt tun“, sagte Zens.

Voigt erklärte den jungen Leuten alles Relevante zur Neuanlage, Pflege und Entwicklung einer Streuobstwiese. Überdies erhielten sie eine ausführliche Pflanzanleitung, die optimales Anwachsen garantiert. Im Laufe des Vormittages setzten die Schüler in Großscherzhausen sechs Apfel-, zwei Zwetschgen- und zwei Süßkirschbäume fachgerecht ein.

Neben dem Vermitteln von Kenntnissen und Fertigkeiten wolle man den Schülern auch den unschätzbaren Stellenwert von Streuobstwiesen näherbringen. Da gerade diese Bäume das Biotop Streuobstwiese so einzigartig machen, indem sie „auf der oberen Etage“ vielen Tierarten, wie etwa Fledermäusen, Spechten, Staren, Schleiereulen oder Steinkäuzen, aber auch Hornissen einen Lebensraum bieten, ist das Nachpflanzen von jungen Bäumen wichtig, damit es noch in 30 bis 40 Jahren alte, knorrige Bäume gibt, die solche Tiere vor dem Aussterben bewahren. „Landschaftspflege macht man immer für Mensch und Natur“, hieß es.

„Für die Pflanzung der Obstbäume ist der Herbst am günstigsten, allerdings darf der Boden noch nicht gefroren sein. In dieser Zeit haben die Bäume das Laub bereits abgeworfen und es regnet meist genug, sodass die Setzlinge nicht zusätzlich gegossen werden müssen“, sagte Voigt.
Er bestätigte, dass der Landschaftspflegeverband ein besonderes Augenmerk auf die Auswahl standortgerechter und robuster sowie heimischer Obstsorten legt. „Wir wollen die Vielfalt an Sorten erhalten.“

Marlene Berger-Stöckl erinnerte daran, dass es sich gerade für Apfelallergiker lohne, nach alten Apfelsorten zu suchen, „weil sie weniger Allergien auslösen, wie viele der neu gezüchteten Sorten aus dem Supermarkt“. Sie appellierte an die jungen Landwirte, etwas dafür zu tun, damit das heimische Obst eine höhere Wertschätzung erfahre. „Denkt bitte auch über die Chancen einer Verwertung von Streuobst als Betriebszweig nach. Dass wir in zwanzig Jahren noch billiges Importobst von überall holen können, gilt nicht mehr als selbstverständlich“. Der Streuobstanbau könne einen wachsenden Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung leisten. „Wir brauchen euch als findige Köpfe, die an neuen Vermarktungsideen für Streuobst mitwirken, um die Wertschöpfung zu steigern“. So gebe es seit kurzem in Zusammenarbeit mit einer Ölmühle ein Biowalnussöl aus der Region.

Interessenten, die eine Obstwiese anlegen oder durch Nachpflanzungen ergänzen möchten, können sich in der Geschäftsstelle des Landschaftspflegeverbands (LPV) Traunstein bei Carsten Voigt unter Telefon 0861/583 93 melden, oder bei der Ökomodellregion unter 08681/ 4005- 37. Als zuständige Fachstelle wickelt der LPV alle Förderanträge ab. Denn sowohl die Bäume (mindestens acht) als auch das notwendige Zubehör werden zu 70 Prozent vom Freistaat und zu 30 Prozent vom Landschaftspflegeverband gefördert. Der Verband lichtet zudem alte Baumbestände aus.

Im Übrigen übernimmt der Landschaftspflegeverband unter der Federführung von Jürgen Sandner auch wieder die bewährte Bio-Sammelzertifizierung von Streuobst. Dadurch kann das (Bio-) Obst zu einem deutlich höheren Preis an regionale Keltereien verkauft und somit die Wertschöpfung erhöht werden. Der Landschaftspflegeverband kümmert sich um alle notwendigen Formalitäten mit der Bio-Kontrollstelle. So muss sich nicht mehr jeder einzelne Obstgartenbesitzer damit auseinandersetzen. Auch hier arbeiten LPV und Ökomodellregion Hand in Hand. Mitmachen können Landwirte, die für ihren Betrieb kein Bio-Zertifikat haben, private Eigentümer von Streuobstwiesen, Kirchenstiftungen oder auch Kommunen. Wichtige Kriterien: Die Bäume dürfen in den vergangenen Jahren weder mit Spritzmitteln noch mit leicht löslichem Mineraldünger behandelt worden sein. Für die Streuobstwiesenbesitzer ist die Aktion kostenfrei.

Artikel von Anneliese Caruso aus der Südostbayerischen Rundschau vom 17.11.2021
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