„Die Umstellung von der Milchviehhaltung auf ein neues Hofkonzept mit Mutterkuhherde war kein einfacher Weg für uns alle, aber den hatte ich mir in den Kopf gesetzt, weil das ein sehr natürliches Haltungskonzept mit viel Freilauf für alle Tier-Altersgruppen ist. Ich komme selbst nicht aus der Landwirtschaft und hab mir im Austausch mit meinen Schwiegereltern, meinem Mann, Nachbarshöfen und dem Tierarzt über „Learning bei doing“ alles selbst angeeignet“, so die Bäuerin vom „Heinrichhof“ in Hucking, die inzwischen auch einige Fachkurse besucht hat. „In die Kühe hab ich mich geradewegs verliebt – sie gehören zur Hoffamilie fest dazu, alle haben ihre Namen und ihre Besonderheiten“.
Ruhig akzeptierte die kleine Mutterkuhherde aus sieben Kühen mit Nachwuchs die große Besucherschar von 25 Besuchern und einigen Kindern, die mit etwas Abstand auf der Weide standen – wobei der Gang auf eine Mutterkuhweide sonst unbedingt zu vermeiden ist, merkte Marlene Berger-Stöckl von der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel als Veranstalterin an. „Zutraulichkeit gegenüber dem Menschen ist bei uns ein Auswahlkriterium für die Tiere, die als Nachzucht weiter in der Herde bleiben dürfen. Ich habe täglich engen Kontakt mit den Tieren“, so Mayer, während sie ein paar ihrer Erfahrungen mit „Stockmanship“, also stressfreier Herdenführung, weitergab: „Wenn wir mit den Augen einer Kuh sehen und ihr Verhalten verstehen lernen, wie z.B. die Wahrnehmung, ob wir uns vor oder hinter ihrem Schulterbereich aufhalten oder ob es Blendeffekte gibt, ist es viel leichter, Kühe ohne Stress dahin zu treiben, wo wir sie haben möchten. Das hilft uns beim Verladen der Tiere in einen Anhänger oder auch beim Frühjahrsaustrieb“.
Die Jungtiere werden etwa 8 Monate lang gesäugt, manche sogar länger, bis etwa zwei Monate, bevor die Kuh das nächste Kalb bekommt und Reserven aufbauen muss. Sie wachsen gänzlich ohne Kraftfuttergaben heran. Mit ca. eineinhalb bis zwei Jahren, sofern sie nicht der Nachzucht dienen, werden die Jungtiere zu einem nahen Metzger gefahren, der sie direkt im Anhänger schießt. „Uns ist es wichtig, unsere Tiere dabei bis zum letzten Augenblick zu begleiten und für eine ruhige Atmosphäre zu sorgen“, so Mayer, die ihrem Betrieb das Motto „Heinrichhof mit Herz“ voranstellt. „Auch für die Fleischqualität ist eine stressfreie Schlachtung sehr wichtig“. Etwa sieben bis acht Tiere jährlich werden auf direktem Weg ab Hof vermarktet. Dabei geht das Jungtier erst dann zum Metzger, wenn der größte Teil des Fleisches vorbestellt ist, das betont die Familie. Der Metzger in Fridolfing wird im Rahmen der jährlichen Biokontrolle auf dem Heinrichhof als Subunternehmer mitzertifiziert.
Mit 12 Hektaren eigenen Weideflächen ist der Hof zu klein, um im Vollerwerb eine Chance zu haben. Selbst im Nebenerwerb ist es sehr herausfordernd, die Kosten für Stallungen, Maschinen, den Futtererwerb, die Weidepflege und natürlich die Hofgebäude so zu stemmen, dass für die Familie auch noch Einkommen übrigbleibt. Andreas Mayer hat seinen Milchviehstall komplett in Eigenregie für die Mutterkuhherde umgebaut und ist es gewohnt, alles wiederzuverwerten, was „upgecycelt“ werden kann. Ohne seine vielseitigen handwerklichen Talente – Mayer leitet nebenher den Bauhof in Taching - wäre der Hof nicht zu führen. Auch gegenseitig hilft man sich innerhalb der Bauernschaft mit Ausleihen weiter.
Der Verkauf des Bio-Rindfleischs wird von der Bäuerin organisiert, die dafür vor allem Whatsapp und soziale Medien nutzt. „Ich suche sehr gern mit Verbrauchern das Gespräch und möchte über unsere Form der Landwirtschaft aufklären. Der Verzehr von unseren Biotieren ist nichts Klimaschädliches, sondern erhält unser Grünland, das Humus anreichert und somit im Boden Kohlendioxid bindet. Rindfleisch essen ja, dafür steht unser Hof“, so die Bäuerin, „in vernünftigen Mengen und mit bewusster Entscheidung für Tiere, die ein artgerechtes Leben und einen guten Tod hatten. Wir kleinen Direktvermarkter können unser Hofkonzept nur umsetzen, solang es noch Metzger gibt, die uns dabei helfen“, bricht die Bäuerin eine Lanze für das Lebensmittelhandwerk.
Dass der Hof zwar klein, aber trotzdem am Puls der Zeit ist, zeigt sich auch an den nahen und ferneren Zukunftsplänen. „Wir haben uns bereits eigenständig über das Schweizer Keyline-Konzept informiert. Das heißt, zum Schutz und Erhalt des Grundwasserspeichers, der in Deutschland heute schon stark leidet, wollen wir in Zusammenarbeit mit dem Landschaftspflegeverband versuchsweise Streuobstreihen entlang wichtiger Höhenlinien auf unseren Weiden anlegen“, so die Bäuerin. Dafür gab es ein Lob von der Projektmanagerin der Ökomodellregion: „Es ist noch wenig bekannt, dass ökologisch bewirtschaftete Höfe durch die gute Wasseraufnahmefähigkeit der Böden und durch vielfältige Strukturen wie Hecken, Obstbäume oder Agroforstkulturen einen großen Beitrag für den Schutz vor Starkregen und Dürre leisten können“, ergänzte Berger-Stöckl. „Das macht heute Arbeit und kostet Geld, ist aber eine sehr sinnvolle Investition in die Zukunft und erbringt spürbare Gemeinwohlleistungen, auch für das unterhalb gelegene Dorf“.
Traum der Familie Mayer wäre es, zur Weiterführung des Hofs irgendwann Gleichgesinnte mit einzubinden, die den Hof als soziale Gemeinschaft weiterführen. Dies führte Kerstin Mayer aus, als sie die Zuhörer nach Stall und Weide noch ausgiebig mit der Permakultur im großen Gemüsegarten bekannt machte. „Unser Hof, Tiere und Garten machen sehr viel Arbeit, sie geben uns aber auch soviel Positives zurück“, bekannte die Bäuerin und führte die Besucher zu einem großen privaten Büchertisch, der ihre Lebenseinstellung widerspiegelte. Abschließend nahm sich das Ehepaar viel Zeit beim Kaffee für zahlreiche Fragen und Anmerkungen der begeisterten Besucher.
Pressemitteilung der ÖMR Waginger See - Rupertiwinkel