Zum Inhalt springen

Mehr Biogemüse regional anbauen

Aufbruchstimmung bei Ökomodellregions-Infoveranstaltung mit Olivia Ruhtenberg in Asten

Projekte: Bio-Lebensmittel vom Acker, Mit Bio kochen, Öffentlichkeitsarbeit
Mehr Biogemüse wie dieses Möhrenpflänzchen möchten die Teilnehmer der Informationsveranstal-tung in Asten anbauen.
Mehr Biogemüse wie dieses Möhrenpflänzchen möchten die Teilnehmer der Informationsveranstal-tung in Asten anbauen.
© Zaghdoudi/ ÖMR
In seiner Einführung wies AELF-Chef Alfons Leitenbacher darauf hin, dass der Selbstversorgungsgrad bei Gemüse 2020 in Deutschland nur knapp 40 Prozent betragen habe, während er bei Milchprodukten und Rindfleisch deutlich über 100 Prozent liege. Gerade im wachsenden Markt für Bio-Lebensmittel sei der Ökoanteil beim Gemüse mit rund 12 Prozent noch ausbaufähig. Im Zuständigkeitsbereich des AELF Traunstein, der die Landkreise Berchtesgadener Land und Traunstein umfasst, würde auf den 82.170 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche nicht einmal 100 Hektar Kartoffel und Gemüse angebaut. Dabei sei es politisches Ziel, zum Beispiel in öffentlichen Einrichtungen wie Kliniken, Altenheime oder Schulen 50 Prozent regionale und ökologisch erzeugt Lebensmittel einzusetzen. Schon allein deshalb sehe Leitenbacher in der Ausweitung des regionalen Gemüseanbaus große Zukunftschancen, insbesondere für solche Landwirte, die von ihrer Größe her überlegen müssten, ob sie in größere Ställe investieren oder die Landwirtschaft aufgeben sollten. Die Ökomodellregion unterstütze deshalb alle Bestrebungen, den Biogemüseanbau auszuweiten und den Landwirten bei der Vermarktung zu helfen, betonte dazu die Projektmanagerin der ÖMR, Marlene Berger-Stöckl. Seit 2019 gebe es regelmäßig gemeinsame Fortbildungen und Exkursionen im Bio-Gemüsenetzwerk der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel. Für eine gezielte Ausweitung des Biogemüsebaus in der Außer-Haus-Verpflegung brauche es verbindliche Zusagen von Abnehmern.

Mut machte den Teilnehmern auch Michael Steinmaßl alias „Gmias Michi“ aus der Gemeinde Kirchanschöring, der von der erfolgreichen Weiterentwicklung seines kleinen Betriebes mit weniger als 10 ha zum Vollerwerbsbetrieb erzählte und seine Vermarktungsschienen darstellte. Der größte Teil seines Biogemüses wird direkt vermarktet, auf verschiedenen Märkten und im eigenen Dorfladen als Bio-Vollsortimenter. „Packt`s oo, es is a scheene und sinnvolle Arbat, und mei Familie konn leben davo!“, so der eindringliche Appell von Steinmaßl, der als Bio-Regio-Betrieb auch andere Betriebe berät. Die Region Rupertiwinkel mit relativ hohen Niederschlägen sei zwar keine klassische Gemüsebauregion, aber auch hier sei Biogemüseanbau praktikabel und sinnvoll, wie die früheren „Krautäcker“ zur Selbstversorgung der landwirtschaftlichen Betriebe zeigten.

Zuvor hatte Olivia Ruhtenberg, Beraterin des Anbauverbandes Bioland, über die Einstiegsmöglichkeiten und die Praxis des Bio-Gemüsebaus informiert. Ganz wichtig seien die langfristige Förderung der Bodenfruchtbarkeit, zum Beispiel über Mist oder Kompost, und die pestizidfreie Beikrautregulierung. Eine Gründüngung mit Leguminosen wie Kleegras, die Stickstoff aus der Luft auf natürliche Weise in den Boden zurückholen, sei auf mindestens 20 Prozent der Flächen erforderlich. Mit ausgeklügeltem Fruchtwechsel, richtiger Saatgutwahl, Vorbeugung und geschickter Technik könne der Arbeitsaufwand in Grenzen gehalten werden. Fehler könnten allerdings auch schnell zu einem unrentabel hohen Arbeitsaufwand führen. Für die Beratung gebe es eine „Ökomene“ der Biogemüseberater aus verschiedenen Anbauverbänden, die sich fachlich zusammengeschlossen hätten.

Beim kleinflächigen Anbau seien auch die nötigen Investitionen überschaubar und man könne Zug um Zug aufrüsten, zum Beispiel mit Gewächshäusern zusätzlich zum Freilandanbau. Seit einigen Jahren gebe es auch einen Trend zu SoLaWis (Solidarische Landwirtschaft), bei denen das Anbaurisiko des Gärtners mit den Abnehmern geteilt würde. „Es sind viele Entwicklungsschritte notwendig, um den nötigen Kundenstamm von ca. 120 Teilnehmern zu finden, den wir langfristig für die Finanzierung von einem Hektar Biogemüse brauchen“, berichtete Teilnehmerin Kristine Rühl, Gründerin der SoLaWi in Waging-Otting, aus ihren Erfahrungen.

Katharina Gaßner, Bio-Beraterin am AELF Landshut, zeigte die vielfältigen Vermarktungsmöglichkeiten von Abokisten, die seit Corona besonders im Aufwind sind, über Verkaufsautomaten bis hin zu Marktständen und Hofläden und deren Vor- und Nachteile auf. Durch Kooperation mit anderen Gemüsebauern könnte der Aufwand verringert und Synergien genutzt werden. Sie gab auch Tipps für Nischenprodukte wie Süsskartoffeln, Sprossenkohl (Flower Sprouts) oder Bratpaprika (Pimientos de Padron). Markus Hager, Biogemüsebauer aus Fridolfing, erklärte, dass es einige Jahre Aufbauarbeit brauche, bis ein zufriedenstellender Abnehmerkreis gefunden sei, denn auch neue Vermarktungsformen, wie z.B. die Marktschwärmerei in Altötting, erforderten viel Engagement für die Vermarktung.
Abschließend kündigte Marlene Berger-Stöckl an, im Sommer einen Besuch auf einem Bio-Gemüsebauernhof zu organisieren. Interessenten können sich bei der ÖMR vormerken lassen.

Artikel aus der Südostbayerischen Rundschau vom 1. April 2022, Redaktion
Vorherige Nachricht Nächste Nachricht