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Von der Biobirne zum Bioschnaps

Obstwiesenführung und Brennereibesichtigung in Mauerham mit vielen Teilnehmern

Projekte: Öffentlichkeitsarbeit, Gemeinsame Projekte in der ökologischen und konventionellen Landwirtschaft, Streuobst und Artenschutz
Im Kreis stehen die Teilnehmer der Obstwiesenführung unter Obstbäumen und hören Biobauer Anton Stief zu.
Im Kreis stehen die Teilnehmer der Obstwiesenführung und hören Biobauer Anton Stief zu.
© Ökomodellregion Waginger See - Rupertiwinkel
Auslichtungsschnitt im Angebot des LPV

Zudem ging es um die Ökologie, Pflege und Nutzung von Streuobstwiesen, wobei deren Beweidung und Beerntung genauer erläutert worden ist. Was aus den Äpfeln, Birnen, Kirschen, Zwetschgen, Walnüssen oder Mirabellen - den zentralen Ernteprodukten, die die Wiesen bieten, so alles gemacht werden kann, erfuhren die Teilnehmer bei einer Betriebsbesichtigung der Schnapsbrennerei von Franz Gramminger. Dort gab es auch Gelegenheit, Destillate zu probieren.

Zunächst trafen sich alle auf dem Obstanger von Anton Stief, der sich noch gut an das einträgliche Geschäft des Obstverkaufs ab Hof erinnern konnte: “Das Obst wurde in den 1950ern bis 1970ern kistenweise an Privatleute verkauft und daheim eingelagert. Durch die allmähliche ganzjährige Verfügbarkeit in den Lebensmittelgeschäften fiel dieser Einkauf weg.“ Auch die heute viel zu warmen Kellerräume ließen ein Einlagern von Obst kaum mehr zu. Jetzt ernte er von seinen Obstangern so viel, wie er für den Eigenverzehr seiner Familie und seiner Freunde oder zum Saftherstellen brauche. Er lasse auch Rinder in den Obstangern grasen, damit das Fallobst nicht verloren gehe.

Carsten Voigt vom dem Landschaftspflegeverband (LPV) in Traunstein ließ wissen, dass den heimischen Streuobstwiesen bis nach dem zweiten Weltkrieg bei der Ernährung der Bevölkerung eine große Bedeutung zukam. Später, in den 1960er bis 1980er Jahren seien hingegen viele Obstwiesen gerodet oder nicht mehr gepflegt worden. „In den letzten Jahrzehnten fand allerdings ein Umdenken statt und es gibt wieder Bemühungen, Streuobst zu erhalten oder Obstwiesen neu anzulegen.“ Der Landschaftspflegeverband Traunstein (LPV) unterstütze die Obstwiesenbesitzer dabei. So kooperiere der Verband mit der Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel und der Kreisfachberatung für Gartenkultur und Landespflege. „Dies geschieht zum einen über jährliche Obstbaumpflanzaktionen im Herbst“, sagte Voigt. Dabei seien in den letzten 15 Jahren etwa 7.800 Hochstamm-Obstbäume im Landkreis Traunstein gepflanzt worden. Bei den Pflanzaktionen verwende man traditionelle und robuste Obstsorten. Allein in den sieben Gemeinden der Ökomodellregion auf Traunsteiner Seite seien seit 2015 fast tausend neue Streuobsthochstämme in dieser bewährten Kooperation gepflanzt worden. Das Bayerische Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz fördere die Pflanzungen über die Landschaftspflegerichtlinie mit derzeit 90 Prozent. „Die verbleibenden Mittel stammen vom Landschaftspflegeverband. Das hat den Vorteil, dass sowohl die Bäume als auch die Pflanzmaterialien für die Obstwiesenbesitzer kostenlos bleiben.“

Der Landschaftspflegeverband biete auch den ökologischen Auslichtungsschnitt zum Erhalt alter Obstbäume an. Dessen Ziel sei es, das Ausbrechen von Ästen zu verhindern, um die für die Artenvielfalt besonders wertvollen Baumveteranen möglichst lange zu erhalten. Sie bilden Rückzugs- und Nahrungsräume für seltene Vogel-, Fledermaus- oder Insektenarten, beispielsweise Grünspecht, Mopsfledermaus und Hornissen.


Ein weiterer Baustein, den der LPV seit 2018 offeriere, sei die Biozertifizierung größerer Streuobstwiesen im Landkreis. „Hintergrund ist der deutlich höhere Preis, zu dem Bio-Obst an Keltereien und Brennereien verkauft werden kann, und die deutlich höhere Wertschätzung für die heimische Obstbaumpflege“. Ein Beispiel dafür sei die Brennerei von Franz Gramminger in Mauerham, die seit zwei Jahren heimisches Bio-Obst annehme und heuer den ersten Bio-Brand verkaufe. „Weil die meisten Streuobstwiesen auch in konventionellen Betrieben ohnehin biologisch bewirtschaftet werden, ist die Biozertifizierung über den LPV relativ unkompliziert möglich.“

Kreisfachberater Markus Breier, hob hervor, dass „ein hochstämmiger Obstbaum aus mindestens zwei, eher drei Teilen besteht: der gewünschten Edelsorte, häufig einem Stammbildner und der Wuchskräfte bestimmenden Unterlage.“ Die Verbindungsstellen (Veredelungsstellen) dieser Teile seien an den alten Bäumen aus den 1950ern gut erkennbar. Auch die Grunderziehung mit drei bis vier Leitästen sei noch erkennbar, obwohl die Bäume längst extensiv gepflegt und geschnitten werden. Anders als früher stehe nun die Ökologie im Vordergrund. So böten Höhlen etlichen Vögeln ein Zuhause und abgestorbene Äste vielen Insekten Unterschlupf. Trotzdem trügen die alten Bäume noch viele Früchte. „Zu achten ist jetzt eher auf Auslichtungsschnitte, damit die Bäume unter großer Fruchtlast nicht auseinanderbrechen.“ „Bei uns dürfen auch die alten Bäume noch stehenbleiben, die keinen guten Ertrag mehr haben. Sie blühen nämlich im Frühjahr noch wunderbar“, ergänzte Toni Stief.

Damit neue Obstbäume ein hohes Alter erreichen, ist der Aufbau eines stabilen Kronengerüstes wichtig. Das demonstrierten Voigt und Breier in zwei kleineren Gruppen an Bäumen, die vor zwei Jahren gepflanzt worden waren. „Die ersten zehn bis 15 Jahre sollte ein Obstbaum konsequent jährlich erzogen werden, dann ist zeitlebens ein stabiles Grundgerüst vorhanden.“ Schnittkurse bieten im Frühjahr örtliche Gartenbauvereine sowie Kreisfachberatung und Kreisverband als umfangreichen Vier-Tageskurs Anfang März. „Auch der Nährstoffbedarf des jungen Baums darf nicht vergessen werden, weil bei hochstämmigen Obstbäumen zuerst das starke Wachstum im Fokus stehe und erst dann der Fruchtertrag. „Dafür ernten von diesen Bäumen dann mindestens drei Generationen“, sagte Breier, bevor es in kleinen Gruppen weiterging zur Brennereiführung mit Verkostung, zu der die Familie von Franz Gramminger eingeladen hatte.

Dabei unterstrich Franz Gramminger jun., wie sehr sein Betrieb auf regionales Obst angewiesen ist. Nur ein Teil davon wachse im eigenen Obstanger, den Rest beziehe er aus der Umgebung.
„Rund 90% des Obstes, der Nüsse und Kräuter, die wir verwenden, stammt aus der Region“, ließ Franz Gramminger wissen, ehe er seine Destillate zum Probieren einschenkte. Zur Wahl standen 40 Brände, Geiste und Liköre. „Im Gegensatz zu Großbrennereien verzichten wir Klein-Brenner auf den Zusatz von Zucker. Da muss die Qualität der Früchte von Haus aus gut sein.“

Seit zwei Jahren sind sowohl der Obstanger wie auch die Brennerei bio-zertifiziert. Auf dem Anwesen wurde vor kurzem ein neues Gebäude errichtet, das den Platz des früheren Milchviehstalles einnimmt. Die Führung bot auch Einblicke in das Haus, ein Haus wie aus dem Bilderbuch: Erstellt aus regionalen Baustoffen und in alter Gewölbebautechnik mit Kreuz- und Tonnengewölbe beherbergt es nicht nur den Hofladen und einen neuen kupfernen Brennkessel, sondern auch einen gemütlich wirkenden Raum zum Probieren der köstlichen Kreationen von Gramminger.

Erster Brenner, der Bio-Brände herstellt

Franz Gramminger war dieser Schritt sehr wichtig, um die Wertigkeit zu erhöhen. „Viele Obstanger der Region werden nach ökologischen Kriterien bewirtschaftet, dürfen sich aber nur mit der Zertifizierung als „bio“ bezeichnen.“ Wie anfangs genannt übernimmt der LPV die Bio-Anerkennung bestehender Obstanger.

Marlene Berger-Stöckl, die Projektmanagerin der hiesigen Ökomodellregion, freut sich: „Nun gibt es mit der Familie Gramminger den ersten Brenner, der Bio-Brände und Liköre aus der Region herstellt.“ Ein gemeinsames Ziel sei die künftige Herstellung sortenreiner Brände, für die aber genügend Obst gleicher Sorte binnen zweier Wochen verfügbar sein müsse. „Daran wollen wir weiterarbeiten“. Gemeinsam mit dem LPV unterstütze die Ökomodellregion das Nachpflanzen und die Neuanlage von Obstangern in der Gegend und vermittle auch Obstpaten für die Pflege der Bäume. „Das Interesse an Patenschaften ist erfreulicherweise ungebrochen. Wer bei der Pflege seines Obstangers mit Paten zusammenarbeiten möchte, der soll sich bitte bei der Ökomodellregion melden“, so Berger-Stöckl. Erreichbar ist sie unter Telefon 08681 / 4005-37 oder per Mail an oekomodellregion@waging.de .

Mit wunderbaren Eindrücken vom alten Obstanger, von wertvollen Früchten und aromatischen Destillaten endete der sonnige Herbst-Nachmittag in Mauerham.

Artikel von Anneliese Caruso aus der Südostbayerischen Rundschau vom 9.11.2021
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