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Bio-Gemüsenetzwerk wächst

Ökomodellregion lud zu virtuellem Treffen ein - Anbau von Bio-Feldgemüse im Nebenerwerb erprobt

Projekte: Bio - direkt vom Bauernhof, Bio-Lebensmittel vom Acker, Bio im Gasthaus und in der Außer-Haus-Küche, Öffentlichkeitsarbeit
Auf viel Interesse stieß der Austausch der Bio-Gemüsebaubetriebe bei der Exkursion zum Bio-Michi in Kirchanschöring. Er gab u.a. Tipps zum Aufbau der Bodenfruchtbarkeit und zur Förderung des Bodenlebens – „das A und O im Biolandbau“, wie er meinte.
Auf viel Interesse stieß der Austausch der Bio-Gemüsebaubetriebe bei der Exkursion zum Bio-Michi in Kirchanschöring. Er gab u.a. Tipps zum Aufbau der Bodenfruchtbarkeit und zur Förderung des Bodenlebens – „das A und O im Biolandbau“, wie er meinte.
© Franz Reiter
Weil ein vor kurzem im Rathaus in Waging geplantes Treffen pandemiebedingt nicht stattfinden konnte, lud ÖMR-Projektleiterin Marlene Berger-Stöckl zu einem virtuellen Treffen ein. Sie konnte dabei nicht nur erfahrene Gemüsebauern begrüßen, sondern auch Landwirte, die in diesem Bereich neu einsteigen wollen oder vor kurzem eingestiegen sind. Aktive Teilnehmer waren auch Alfons Leitenbacher, der Leiter des Landwirtschaftsamtes Traunstein, und Amira Zaghdoudi, die Projektleiterin der benachbarten Ökomodellregion Inn-Salzach, die das Netzwerk unterstützt und einzelne „Waginger“ Teilnehmer im Verkauf in die neue Marktschwärmerei in Altötting einbindet.

Die teilnehmenden Landwirte tauschten sich über Erfolge und Misserfolge im Anbaujahr 2021 aus, berichteten über ihre Vermarktungsstrategien und Absatzwege sowie über ihre Pläne für das kommende Jahr. 2021 war wegen längerer Nässeperioden kein einfaches Anbaujahr, vor allem bei der Bodenbearbeitung, und führte auch bei erfahrenen Gemüsebauern wie dem Betrieb Glück zu Mindererträgen oder Ernteausfällen wie z.B. bei Karotten oder Rote Rüben. Dass es auch in einer kleinen Region eine große Spannweite gibt, zeigte sich beim Anbau von Kartoffeln – während sie bei manchen Teilnehmern heuer eher weniger Ertrag lieferten, kann sich der Betrieb von Hans Posch aus Nußdorf über eine besonders reiche Kartoffelernte freuen. „Mir kommt das gerade recht, denn ich hab mir heuer eine Kartoffel-Waschmaschine besorgt, mit der ich die Kartoffeln für die Küche der Lebenshilfe in Traunreut wasche. Gern übernehme ich diese Dienstleistung auch für Kartoffeln anderer Kollegen, die an die Gastronomie liefern wollen“, so Posch. „Genau das ist unser Ziel“, ergänzte Berger-Stöckl: „Wir wollen, dass sich unsere Teilnehmer im Gemüsebaunetzwerk gegenseitig weiterhelfen, anstatt dass sich jeder allein eine teure Geräteausstattung besorgt“.

Erfahrene Gemüsebau-Profis wie Michi Steinmaßl aus Kirchanschöring, Hans Glück aus Grassach oder Andreas Huber aus Wonneberg vermarkten ihr Gemüse fast ausschließlich direkt, auf Märkten und im eigenen Laden, und sehen hierbei auch die besten Perspektiven. Newcomer Markus Hager aus Fridolfing sagte, dass die Suche nach Absatzwegen für Bio-Gemüse kein Selbstläufer sei, auch wenn grundsätzlich eine große Nachfrage nach regionalem Bio-Gemüse bestehe. Mit einem lokalen Einkaufsmarkt habe er gute Erfahrungen gemacht. Weil er die Nachfrage nicht ganz decken konnte, plant er im nächsten Jahr mehr anzubauen. Weitere Vermarktungsmöglichkeiten bieten unter anderem das Bio-Wirtenetzwerk der ÖMR, in dem der Bedarf wegen Corona allerdings zurückgegangen ist, und die Ökogenusskiste des Vereins Ökogenuss Waginger See.

Abstimmung der Saatgutbestellung

Ein Anlass für die Besprechung so kurz vor Weihnachten war laut Marlene Berger-Stöckl auch die Abstimmung der Gemüsearten und Sorten für die Saatgutbestellung. Diese sei für die Gemüsebauern wichtig: zum einen, um eine ausgewogene Staffelung der Sorten im Verlauf des Jahres zu erreichen, will heißen, dass es die Kulturen über einen möglichst langen Zeitraum gibt, zum anderen um das Sortiment insgesamt vielfältiger und damit attraktiver für die Vermarktung zu machen. Karin Lischka aus Tittmoning hat heuer gute Erfahrungen mit einem vielfältigen Salatsortiment gemacht, und wurde im Anbau von der Gärtnerei Horizont aus Trostberg sehr gut beraten, wie sie sagte. Hans Englschallinger aus Tittmoning setzt auf Dammkulturen und möchte im kommenden Jahr neben bewährten Arten wie Karotten auch neue Wurzelgemüsesorten wie z.B. Pastinaken oder Petersilienwurzeln testen, um die Angebotsvielfalt zu erweitern. Investitionen in die Gerätetechnik kann er sich vorstellen, wenn auch Kollegen an einer Ausleihe interessiert sind. „Bitte die Anbauplanung für Bio-Gemüse auch mit mir oder mit unserem Verein „Ökogenuss Waginger See-Inn-Salzach“ abstimmen, damit wir nicht in einem engen Zeitfenster eine Gemüse-Schwemme haben“, schlug Hans Lecker vor, der die regionale Öko-Genusskiste ausliefert.

Hans Glück aus Grassach bei Tittmoning, der langjährige Erfahrungen mitbringt, sagte, seiner Meinung nach sei die Firma Bingenheimer der einzige sinnvolle Lieferant für ökologisch zertifiziertes samenfestes Saatgut. Der Bio-Pionier bot den Teilnehmern an, bei Fragen wie z.B. zur Beikrautregulierung als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen.
Alfons Leitenbacher sprach das Thema Gemeinschaftsverpflegung an, das eine wichtige Rolle im Hinblick auf den Absatz ökologisch erzeugter Lebensmittel spielt. Er führte aus, dass der Landkreis Traunstein seit 2021 Modellregion für regionale und bio-regionale Lebensmittel in der Gemeinschaftsverpflegung ist. Das Ziel sei, dass bis Ende nächsten Jahres zehn Kantinen mindestens 25 Prozent Bio-Produkte verwenden. Auch der Klinikverbund Traunstein habe beschlossen, seine Versorgung auf örtliche Erzeuger umzustellen. Das könnte auch für Bio-Bauern eine gute Chance sein. Da man aber aktuell noch eine Unterversorgung bei Bio-Gemüse habe, so der Leiter des AELF, sollten die Landwirte zügig anfangen, damit sie dann, wenn die Produkte gebraucht würden, auch liefern könnten. Leitenbacher sagte, dass der Gemüseanbau für Jungbauern durchaus eine Alternative sein könnte. Mit speziellen Informationsangeboten und Exkursionen sollten sie auf diese Möglichkeit hingewiesen werden. Eine gemeinsame Veranstaltung von Landwirtschaftsamt und Ökomodellregion fände er sinnvoll.

„Alte Hasen“ helfen Neueinsteigern

Marlene Berger-Stöckl wies darauf hin, dass es am besten Vorverträge mit den Abnehmern brauche, um den Erzeugern Planungssicherheit zu geben und um Investitionen zu finanzieren. Des Weiteren regte sie an, dass sich Landwirte trauen sollten, den Feldgemüsebau auszuprobieren. Auf kleinem Niveau sei dies ziemlich unkompliziert, und zu Beginn wären keine großen Investitionen erforderlich. Viele Betriebe freuten sich auch über das Lob und den direkten Kontakt mit Kunden, die erstmals zum Hof kämen. Die Neueinsteiger könnte auf das „selbst lernende“ offene Bio-Gemüsenetzwerk zurückgreifen, die Erfahrung der „alten Hasen“ gebe es mit dazu. In diesem Zusammenhang wies die ÖMR-Projektleiterin auf praktische Fortbildungsangebote wie beispielsweise Exkursionen und die Einbindung der GemüseberaterInnen der Bioverbände hin, die auch im nächsten Jahr wieder stattfinden werden.

Zum Ende des interessanten, rund anderthalb Stunden dauernden Online-Treffens hatte Marlene Berger-Stöckl noch einen besonderen Tipp parat: 2022 gibt es einen Fördertopf für Kleinprojekte in der ÖMR, aus dem auch Anschaffungen im Bio-Gemüsebau, etwa Gerätschaften, gefördert werden können. Anträge können bis Ende Februar direkt bei der Ökomodellregion gestellt werden (Formulare unter www.stmelf.bayern.de/agrarpolitik/foerderung/286531/ auf der Seite des Landwirtschafts-ministeriums).

Artikel von Karin Kleinert, Südostbayerische Rundschau vom 08.01.2022
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