Zum Inhalt springen

Moore können helfen, die Welt zu retten

Landwirtschaftliche Flächen wiedervernässen – Vegetationsökologe Dr. Matthias Drösler hält Vortrag in Otting

Projekte: Gemeinsame Projekte in der ökologischen und konventionellen Landwirtschaft, Öffentlichkeitsarbeit, Streuobst und Artenschutz
Die seenahe hügelige Landschaft am Tachinger See zwischen Mauerham und Tengling. Eine potenzielle Fläche für eine sogenannte Moor-Wiedervernässung? Kartoffeln oder Weizen können nicht mehr angebaut werden, stattdessen Schilf, Rohrglanzgras, Großseggen (Paludikulturen), die im wassergesättigten Boden gut gedeihen.
Die seenahe hügelige Landschaft am Tachinger See zwischen Mauerham und Tengling. Eine potenzielle Fläche für eine sogenannte Moor-Wiedervernässung? Kartoffeln oder Weizen können nicht mehr angebaut werden; stattdessen Schilf, Rohrglanzgras, Großseggen (Paludikulturen), die im wassergesättigten Boden gut gedeihen.
© Anneliese Caruso

Otting. „Möglichkeiten für den Erhalt der Moore und gleichzeitige landwirtschaftliche Nutzung“, lautete der Titel eines Vortragsabends mit Professor Dr. Matthias Drösler, im Gasthaus „Oberwirt“ in Otting. Drösler ist Professor für Vegetationsökologie und Leiter des Peatland Science Centre, einem Moorforschungszentrum an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.

„Klimaschutz durch Moorschutz ist volkswirtschaftlich sinnvoll, und wird betriebswirtschaftlich attraktiv werden“, sagte der Professor. Er machte zudem deutlich, welch große Bedeutung Moore für den Klimaschutz haben.

 Moore: Jährlich entweichen 6,7 Millionen Tonnen CO2

Dazu gibt es viele neue Erkenntnisse: Demnach ist der Treibhausgas-Ausstoß der zu 95 Prozent entwässerten bayerischen Mooren noch höher als nach bisherigen Berechnungen. „6,7 Millionen Tonnen CO2 entweichen pro Jahr aus den rund 226.000 Hektar großen bayerischen Moorflächen“, so der Experte. In Mooren seien große Mengen an Kohlenstoff gespeichert. Die klassische Bewirtschaftung erfordere eine Absenkung des Wassers. Entziehe man den Moorböden zum Beispiel durch Drainagen Wasser, gelange Sauerstoff in den Boden. In der Folge können Mikroorganismen den Torfkörper zersetzen. „Es entstehen enorme Mengen an CO₂, zudem auch Lachgas, die in die Atmosphäre entweichen.“ Über Jahrhunderte hinweg seien Moorflächen systematisch entwässert worden, um eine landwirtschaftliche Nutzung zu ermöglichen.

Bei diesem Info- und Diskussionsabend, zu dem Wagings Bürgermeister Matthias Baderhuber viele Landwirte, Bürger, Vertreter von zivilgesellschaftlichen Organisationen und politische Entscheidungsträger begrüßen durfte, gab es viele offene Fragen, die nicht nur auf die Wirtschaftlichkeit und Praktikabilität, sondern auch auf den rechtlichen Rahmen der Vernässung und Bewirtschaftung von Moorflächen zielten. Veranstalter waren die „ILE Zukunftsregion Rupertiwinkel“ und die Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel, unterstützt vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Traunstein.

Vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung sind in den letzten Jahren eine Reihe von Gesetzen, Richtlinien und Vereinbarungen auf EU-, Bundes- und Landesebene beschlossen worden, um der notwendigen Reduzierung von Treibhausgasemissionen einen verbindlichen Rahmen zu geben. Erstes verbindliches Ziel ist die Einsparung von 5 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten in Deutschlands Mooren bis 2030, festgelegt in der Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Moorbodenschutz. Betroffen davon ist auch die herkömmliche landwirtschaftliche Nutzung von Moorböden, weil die aktuelle entwässernde Bewirtschaftungsform einerseits zu einer erheblichen Freisetzung des im Boden gebundenen Kohlenstoffs führt und andererseits bei Wiedervernässung das größte CO2-Einsparungspotential aller Landnutzungen aufweist: Moore können ein bisschen helfen, die Welt zu retten.

Wenn ein Moor wiedervernässt wird, ist auf diesen Flächen keine herkömmliche Landwirtschaft mehr möglich. Statt Kartoffeln oder Weizen kann dann entweder Nassgrünland etabliert werden oder Schilf, Rohrglanzgras und Großseggen (Paludikulturen) angebaut werden, die im wassergesättigten Boden gut gedeihen.

Nach Angaben des Landratsamtes Traunstein sind die Moorflächen im Landkreis Traunstein mit rund 9.000 Hektar etwas größer als die Fläche des Chiemsees. Sie setzen sich zusammen aus 42 Prozent Hochmoor, 31 Prozent Niedermoor und 27 Prozent Anmoor. Der Landkreis selbst engagiert sich seit Mitte der 1990er Jahre im Bereich des Moorschutzes und der Moorrenaturierung – so konnten viele Hektar an Hochmoorflächen gesichert werden.

Aus dem Ziel, fünf Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einzusparen, resultiert auch eine Verantwortung der Landwirtschaft, mit der Verringerung von Treibhausgasemissionen aus Moorböden zum Erreichen der Klimaschutzziele beizutragen. „Gesichert lassen sich die Treibhausgasemissionen durch eine ausreichende Anhebung der Wasserstände verringern, dafür ist eine Änderung des Wassermanagements auf den Flächen notwendig. Die Erhöhung der Wasserstände hat jedoch unweigerlich Auswirkung auf die Bewirtschaftungsmöglichkeiten“, betonte Drösler. Die Paludikultur gelte als alternatives Nutzungskonzept und ermögliche eine landwirtschaftliche Nutzung nasser Moorstandorte. Infrage komme sie auf bisher intensiv bewirtschafteten Niedermoorflächen. Der Landwirt erwarte berechtigterweise aber auch einen wirtschaftlichen Ertrag. Deshalb ist für die nachhaltige Moorbewirtschaftung ein spezifisches Förderprogramm in Vorbereitung („Moorbauernprogramm“ im KULAP), das ab 2024 beantragt werden kann.

Im Freisinger Moos sei wissenschaftlich untersucht worden, wie Moore wiedervernässt und gleichzeitig landwirtschaftlich genutzt werden können. Dabei habe sich gezeigt, dass sich Schilf, Rohrglanzgras, Großseggen und Rohrkolben gut entwickeln. Die Hochschule arbeite daher auch am Aufbau von Absatzmärkten mit, weil sich der Anbau dieser Kulturen auch für die Landwirte lohnen müsse, sagte Professor Drösler.

 Paludikulturen können ein Baustein sein

Er und sein Team haben bereits verschiedene Projekte mit Paludikulturen laufen, „die ein Baustein sein können". Diese Pflanzen könnten künftig Verwendung als Bau- oder Dämmstoff oder als Energieträger finden, ließ er wissen. Außerdem würden sie eine große Wurzelfilzmasse mitbringen, so dass die Böden weiterhin für landwirtschaftliche Maschinen befahrbar blieben. Letztlich gehe es auch um den dauerhaften Erhalt des Bodenwertes. Die Sackung des Bodens bei der Entwässerung führe zur Endlichkeit der Bewirtschaftung. Anhand eines Beispiels zeigte der Redner auf, wie hoch der Wertverlust schon nach 40-jähriger entwässerungsbasierter Bewirtschaftung sein kann. „Der Bodenschwund ist riesig.“

Artikel von Anneliese Caruso, Südostbayerische Rundschau vom 27.11.2023


Vorherige Nachricht Nächste Nachricht