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Öl wie Wein: „Farbe und Qualität sind jedes Jahr anders“

Heimische Landwirte produzieren Bio-Speiseöle – Erzeugung über die Herstellung bis zur Vermarktung

Projekte: Bio - direkt vom Bauernhof, Bio im Gasthaus und in der Außer-Haus-Küche, Bio-Lebensmittel vom Acker, Öffentlichkeitsarbeit
Landwirt Andreas Maier baut in der Nähe von Tittmoning Sojapflanzen an. Aus den Sojabohnen erstellt der Laufener in Eigenpressung Bioöl her.
Landwirt Andreas Maier baut in der Nähe von Tittmoning Sojapflanzen an. Aus den Sojabohnen erstellt der Laufener in Eigenpressung Bioöl her.
© Karin Kleinert

Laufen / Tittmoning. Ob Steak, Salat, Gemüse oder Dipp: Wer gerne kocht, verwendet meist unterschiedliche Speiseöle. Damit kann man den Gerichten eine besondere Note geben und seinen Speiseplan bereichern, denn jedes Öl besitzt andere Stärken. Was allerdings viele nicht wissen: Auch in unserer Region wird sehr hochwertiges Speiseöl hergestellt - und dies sogar überwiegend in Bioqualität. Die Auswahl beeindruckt: Aus mindestens acht verschiedenen Ölfrüchten wird im Rupertiwinkel und im angrenzenden Chiemgau Bio-Speiseöl produziert. Zu nennen sind Sonnenblumen, Sojabohnen, Raps, Leindotter, Leinsamen, Hanf, Senf und Walnüsse. Die Öle werden kaltgepresst, damit sie ihre wertvollen Inhaltsstoffe behalten. Eines gilt es allerdings zu beachten: Kaltgepresste Öle sollten nie zu stark erhitzt werden, sondern am besten erst nach dem Kochen über die Speisen gegeben werden.

Öl wird direkt am Hof vermarktet

Ölsaaten gehören für einige ökologisch wirtschaftende Landwirten einfach dazu: Der Anbau ist jedoch aus mehreren Gründen eine Herausforderung. Wetter und Niederschläge müssen passen, und bei Kreuzblütlern wie dem Raps- oder Senfkorn muss man Schädlinge ohne den Einsatz von Insektiziden in den Griff bekommen. Einige Erzeuger pressen die Ölfrüchte selbst und vermarkten das daraus gewonnene Öl direkt ab Hof. Hauptabnehmer sind Privatleute, Einkaufsmärkte und Naturkostläden sowie die Betreiber von regionalen Ökokisten, etwa vom Verein „Ökogenuss Waginger See“, der eine Onlineplattform für bioregionale Produkte betreibt. Ein Erzeuger ist Andreas Maier, den die Heimatzeitung auf seinem Feld mit Sojabohnen trifft. Der Biobauer freut sich, denn die Pflanzen gedeihen prächtig, sie haben viele Schoten, die noch dazu prall gefüllt sind. „Das zaubert dem Landwirt ein Lächeln ins Gesicht“, scherzt der Nebenerwerbslandwirt. Weil die Ernte erst Ende September ansteht, will er in puncto Ernteertrag noch keine Prognosen abgeben. Nur so viel: Es schaut gut aus, vermutlich wird es eine seiner besten Ernten.

Andreas Maier hat schon einige Erfahrung in der Herstellung von Speiseöl. Er arbeitete etliche Jahre als Betriebsleiter auf einem Hof in Tittmoning, inzwischen lebt er in Au bei Laufen. In Mayerhofen bei Tittmoning hat er Flächen gepachtet und baut dort neben Getreide mit großer Begeisterung Raps, Soja und Sonnenblumen an. Die Herstellung der Speiseöle liegt komplett in seiner Hand. Er presst die Saaten beziehungsweise die Kerne, füllt das Öl per Hand in große Behälter und von dort in dunkle, handelsübliche Glasflaschen, die er selbst etikettiert. Diese schützen den kostbaren Inhalt vor Licht.

Eine Besonderheit des Landwirtschaftsmeisters sind sein Bio-Raps- und sein Bio-Sojaöl, das im Rupertiwinkel sonst niemand produziert. Angefangen habe alles, erzählt er, mit seiner Meisterarbeit zum Thema „Erbsen, Ackerbohnen und Soja im Feldversuch nach Eiweißerträgen“ vor etwa acht Jahren.  Damals beschloss er, die wärmeliebende Sojabohne anzubauen. Er war einer der ersten im Rupertiwinkel, dem dies glückte.

Durch die intensive Beschäftigung mit der Sojabohne sei diese, wenn es um die Herstellung von regionalem Eiweiß gehe, für ihn die „Königspflanze“ geworden. Zum einen, weil das daraus gewonnene Speiseöl ein hochwertiges, sehr gesundes Lebensmittel ist, zum anderen, weil der Ölkuchen, der beim Pressen entsteht, ein nahrhaftes und gesundes Tierfutter ergibt. Die Sojabohne ist auch ackerbaulich ein wichtiger Bestandteil, um den Kreislauf am Hof zu schließen, erklärt Andreas Maier. Soja und andere Leguminosen, also Eiweißpflanzen oder Hülsenfrüchte, haben nämlich die Eigenschaft, über Bakterien den natürlichen Stickstoff der Luft zu binden und für Folgekulturen nutzbar zu machen. Zudem verbessern sie als pflanzliche Düngung die Qualität des Bodens.

Schon in der zweiten Generation produziert Familie Kraller in Wies, südlich von Tittmoning, Sonnenblumenöl. Auf ihren Sonnenblumenfeldern sind die meisten Pflanzen bereits verblüht - ab Mitte September könne geerntet werden. „Es schaut gut aus, der Bestand steht und der „Korb“ ist gut ausgebildet“, meint Nebenerwerbslandwirt Kraller zufrieden. Die Körner seien zwar relativ klein, aber es komme sowieso auf den Ölgehalt an und der stelle sich erst beim Pressen heraus, erklärt er. Kraller berichtet, dass sein Vater, einer der ersten Biobauern in der Gegend, Anfang der 1990er Jahre mit dem Anbau der Sonnenblumen begann und sogleich auch selbst das Pressen der Kerne in Eigenregie übernahm. Dafür wurde der ehemalige Rübenkeller umgebaut. Die Schneckenpresse von damals ist immer noch in Betrieb.

Auch Familie Kraller vermarktet das unraffinierte und Vitamin E-reiche Öl mit dezentem Eigengeschmack direkt ab Hof beziehungsweise über Naturkostläden und regionale Ökokisten. Es sei eines ihrer Standbeine, sagt der Landwirt, aber kein riesiges Geschäft. Alles soll regional und überschaubar bleiben. „Mir ist es wichtig, dass die Menschen meine Produkte direkt kaufen können“, betont er. Je nach Bedarf, meist alle vier bis sechs Wochen, werden aus den Sonnenblumenkernen etliche Liter frisch gepresst. „Beim Öl ist es wie beim Wein: Farbe und Qualität sind jedes Jahr anders“, bringt es Johann Kraller auf den Punkt. Als Besonderheit baut er inzwischen auch eine „high oleic-Sorte“ an, die auch bei kalter Pressung ohne Bildung von Schadstoffen hoch erhitzt werden kann.  

Franz Obermeyer aus Tengling und Hans Posch aus Nussdorf bei Traunstein gehören wie Familie Kraller zu den Pionieren im Anbau von Ölsaaten. Die beiden Biobauern arbeiten im Vollerwerb. Sie betreiben Milchwirtschaft und Ackerbau, Hans Posch hat zusätzlich Bioschweine. Seit vielen Jahren bauen sie auch Ölpflanzen an. Sie pressen allerdings nicht selbst, sondern verkaufen die Saaten an regionale Ölmühlen beziehungsweise vermarkten sie selbst. Franz Obermeyer, der seit mehr als zwanzig Jahren Lein und Leindotter anbaut, berichtet, dass viele seiner Kollegen diese Pflanzen ausprobiert, jedoch den Anbau wieder eingestellt hätten, weil es nicht funktioniert habe. Bis auf letztes Jahr, wo er wegen der nassen Witterung kaum etwas erntete, habe er immer zufriedenstellende Erträge eingefahren. Der gelb blühenden Leindotterpflanze komme als Stützfrucht für seine schwarzen Beluga-Linsen eine wichtige Funktion zu, so Obermeyer.

Den Leindotter und die Linsen lässt er aufbereiten, das Verpacken erfolgt bei ihm am Hof. Hauptabnehmer sind Bioläden und regionale Märkte, einen Teil seiner Produkte vermarktet er direkt ab Hof. Wenn die Ernte reichlich ausfällt, verkauft er einen Teil der Saaten an die Chiemgauer Ölmühle von Hans Niedl in Sondermoning, der daraus hochwertiges Leindotteröl und aus seinen ebenfalls angebauten Leinsamen Leinöl herstellt. Der Demeter-Landwirt rät allen Einsteigern, „unbedingt die ganze Kette von der Erzeugung über die Herstellung bis zur Vermarktung durchzudenken“.

Gepresst wird daheim oder in der Chiemgauer Ölmühle

Dem kann Hans Posch nur zustimmen. Der Nussdorfer setzt bei den Ölsaaten auf Senf und Hanf. Beide Saaten gehen ebenfalls an die Chiemgauer Ölmühle. Seit fünf Jahren baut er Senf an und ist, soweit er es beurteilen kann, momentan der einzige im Landkreis Traunstein und im Berchtesgadener Land, der diese Frucht in Bioqualität anbaut. Der Senf mag es trocken und warm, daher sind die sonnigen Tage sehr gut. Posch zeigt sich heuer zufrieden mit dem Ertrag, geerntet wurde Ende August. Augenzwinkernd verrät er, wie er die Senfpflanze nennt. Sie sei eine „Reuefrucht“: Wächst sie gut, bereut man, nicht mehr ausgebracht zu haben, gedeiht sie etwa wegen zu viel Regens schlecht, bereut man, sie überhaupt gesät zu haben. Seine Kollegen haben den Anbau von Senf nach einem Anbauexperiment der Ökomodellregion wegen der starken Ertragsschwankungen momentan eingestellt.

Der Nutzhanf, den er seit etwa zehn Jahren anbaut, sei dagegen eine unkomplizierte Pflanze. Eigentlich, denn heuer musste er zweimal säen, wie Hans Posch erzählt. Die  Schnecken hätten die ersten kleinen Pflänzchen komplett aufgefressen. Aus den Samen wird Schälhanf und Hanföl hergestellt. Das Problem beim Hanf sei die Ernte, erklärt der Biobauer, da es für die festen Fasern spezielle Maschinen braucht. Weil der Anbau von Hanf in den letzten rund fünfzig Jahren verboten war, müssen auch die Landmaschinenhersteller erst neue Techniken entwickeln.

Auf die Herstellung von Leinöl hat sich Familie Aicher vom Moiahof in Bergham bei Trostberg spezialisiert. Seit mittlerweile zehn Jahren produziert Jakob Aicher aus den Samen der Leinpflanze Öl, dem er den Namen „Saatgold“ gegeben hat. Er baut den Lein auf seinen Feldern an, presst ihn am Hof und vermarktet ihn direkt. Bei ihm kommt eine sogenannte Seiherscheibenpresse  - bei langsamer Pressung mit geringer Temperaturentwicklung - zum Einsatz. Wie der Nebenerwerbslandwirt berichtet, ist bei ihm die Leinernte sowie die gesamte Getreideernte heuer aufgrund der nassen Witterungsverhältnisse und des starken Beikrautbewuchses ernüchternd ausgefallen. Anfang August habe er die Ernte eingefahren, inzwischen seien die Saaten gut getrocknet, Anfang September werden sie gereinigt. Gepresst wird etwa alle drei Wochen, allerdings immer erst dann, wenn das Öl der letzten Pressung verkauft ist. Apropos Verkauf: Hier nimmt der Trostberger die Verbraucher in die Pflicht. Er wünscht sich, dass die Menschen wieder mehr in den kleinen regionalen Bioläden einkaufen und nicht nur bei den großen Ketten. Auch er beliefere kleinere Geschäfte, wobei einige Verkaufsstellen schließen mussten. Die Lage sei extrem schwierig, trotzdem zeigt sich Jakob Aicher zuversichtlich. Er möchte dabeibleiben und das Standbein „Leinöl“ weiter aufrechterhalten.

Ein weiteres wichtiges Glied in der regionalen Herstellungskette von Speiseöl sind die kleinen Ölmühlen vor Ort oder ganz in der Nähe der Landwirte. Eine dieser Ölmühlen ist die biozertifizierte Chiemgauer Ölmühle von Hans Niedl. Ölmüller Niedl, dessen Betrieb in Sondermoning steht, stellt seit etwa 15 Jahren Öle aus Hanf, Senf, Lein und Leindotter aus überwiegend heimischen Rohstoffen in Demeterqualität her. Heuer hat er sogar einen Preis gewonnen: Sein Senföl gehörte in einem Wettbewerb der LVÖ (Landesvereinigung für Ökolandbau) zu Bayerns zehn besten Bioprodukten.

Solch eine Auszeichnung erhöht nicht nur den „Marktwert“ des hierzulande eher unbekannten Senföls - in Indien ist es Standard, wie Hans Niedl weiß -, sie ist auch eine gute Werbung für die anderen bioregionalen Öle. Geht es um die Vermarktung und die Bewerbung, bietet auch die Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel (ÖMR) Unterstützung, indem sie die Ölproduzenten auf ihrer Bio-Erzeugerliste aufführt und über heimische Öle informiert. Zudem hilft die ÖMR, Netzwerke aufzubauen und informiert über den Einsatz von Fördermitteln. In Zusammenarbeit mit der ÖMR hat sich beispielsweise die Ölmühle Garting in Schnaitsee 2018 biozertifizieren lassen und bietet damit auch Biolandwirten außerhalb von Demeter eine regionale Verarbeitungsmöglichkeit für ihr reichhaltiges Bioölsortiment.

Artikel von Karin Kleinert, Südostbayerische Rundschau vom 10.09.2024

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