• Herr Mück, Sie sagen: Je mehr Steaks auf dem Teller landen,
desto besser ist es für das Klima. Freilich eine Zuspitzung, aber
was genau meinen Sie damit?
Die Frage ist welche Steaks - und zudem muss auch der Rest des Tieres gegessen werden. Ich spreche von Rindfleisch aus Grünlandfutter und artgemäßer Stall- und Weidehaltung aus der Region. Leider kam im letzten Jahr ein Anteil von 52% des Verbrauchs an Rind- und Kalbfleisch nicht aus Deutschland. Dauergrünland ist ein sehr wichtiger Kohlenstoffspeicher, darauf weidende und mit Grünland gefütterte Rinder fördern die Einbindung von CO2, erhalten Kohlenstoff im Boden und leisten Klimaschutz.
• Was würde das heruntergebrochen auf den Landkreis Traunstein
für die Landwirtschaft bedeuten? Wie würden Sie diese
umbauen, wenn Sie völlig freie Hand und unbegrenzte finanzielle
Mittel hätten?
Es geht nicht um einen radikalen Umbau. Gesichtspunkte wie Ernährungssicherheit und Regionalität müssen in Anbetracht des Klimawandels aber stärker in die Zukunftsorientierung der Ernährungs- und Landwirtschaft einbezogen werden. Es muss der Wert regionaler Lebensmittel- und Futtermittel und der hofeigenen Dünger priorisiert werden. Dazu braucht es viel Bildung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, denn die Ernährungsentscheidungen gestalten die Landwirtschaft. Aber natürlich gehören auch politische Steuerung und Förderungen dazu und in Regionen mit viel Grünland, Milch und Fleisch auch der Handel darüber hinaus.
• Welche Effekte würden sich dadurch einstellen und wäre das
tatsächlich ein zukunftsfähiges System, in der die
kleinstrukturierte Landwirtschaft langfristig überleben kann?
Eine seit Jahrzehnten geforderte Stickstoffsteuer - u.a. von höchster Politikberatung - würde die Grünlandbewirtschafter, Rinderhalter und ihre hofeigenen Dünger, gerade in kleinstrukturierten Betrieben stützen und Intensivierung begrenzen. Übrigens würde auch die Unterstützung Russlands und seines Angriffskriegs verringert, denn ein großer Teil der Mineraldünger kommt noch immer von dort.
• Sie sind aber interessanterweise eigentlich für eine Reduktion
des gesamtgesellschaftlichen Fleischkonsums, richtig?
Ja, Schweine- und Geflügelfleisch muss drastisch reduziert werden. 80% des deutschen Fleischverzehrs besteht daraus. Rindfleischkonsum aus regionalem Weidegrünland brauchen wir mehr. Systembezogen sind Schweine und Hühner Lebensmittelverschwender und Nahrungskonkurrenten des Menschen. Drei Teile Lebensmittel werden an sie verfüttert, nur einer erscheint wieder als Fleisch oder Ei. Rinder sind potentiell Wundertiere: sie erzeugen aus nichtessbarem Gras Lebensmittel und erbringen zudem Klimaschutz- und Biodiversitätsleistungen.
• Wurde uns Ihrer Ansicht nach also völliger Quatsch gelehrt, wenn
behauptet wird, dass Rinder totale Methanschleudern und
„Klimakiller“ sind und das Treibhausgas, das die Tiere im
Verdauungstrakt erzeugen, die Atmosphäre 28 Mal so stark wie
Kohlenstoffdioxid belastet?
Rinder emittieren seit 25 Millionen Jahren Methan, das ist Tatsache. Dass sie plötzlich zu Klimakillern gemacht wurden, entbehrt jedoch jeder an Nachhaltigkeit orientierten Angemessenheit sowie fachlicher Kenntnis in Bezug auf Deutschland. Ich empfehle auch ein wenig Agrargeschichte und die Lektüre der Bibel, um Verständnis zu bekommen über die Kulturgeschichte und die Bedeutung der Weidetiere für die Menschen. Hier in Deutschland hat die Zahl der Wiederkäuer als Emittenten von Methan seit 1990 um über 40% abgenommen, weltweit aber um über 60% zugenommen. Die Art der Berechnung des kurzlebigen Treibhausgases ist zudem wissenschaftlich in Diskussion. Für Österreich wurde mit anderer Methode eine Halbierung der THG-Wirkung der dortigen Rinder ermittelt. Warum dies für Deutschland noch nicht getan wurde, ist mir ein Rätsel.
• Klimaforscher Florian Zabel kritisierte, um die tatsächlichen
Effekte auf das Klima zu bemessen, müssten weitere Effekte
berücksichtigt werden, die von Ihnen außer Acht
gelassen würden. Was entgegnen Sie ihm?
Ich diskutiere sehr gerne direkt mit Forschern in Bezug auf die Gesichtspunkte, die in klimafokussierten Modellierungen berücksichtigt bzw. nicht berücksichtigt werden und welche Aussagekraft sie für deutsche Rinder haben. Gerne nehme ich auch Kritik an. Die Diskussion führe ich aber nicht hier.
• Wie verlief die Diskussionsrunde bei Ihrem Vortrag im
Rupertiwinkel? Was haben Sie selbst daraus mitgenommen oder
gar gelernt?
Ich erlebte die Diskussion sehr fachkundig und zustimmend. Es waren vorwiegend Landwirte und Rinderhalter anwesend. Sehr gefreut habe ich mich über einen Kontakt im Anschluss, wodurch ich zu einer großen Tagung mit jungen Erwachsenen ohne landwirtschaftlichen Bezug eingeladen bin, in der ich die Bedeutung der Rinder und des Grünlands bis zur Ernährung darstellen und diskutieren darf.
• Kritiker entgegen Ihnen, würde man alles so umsetzen, wie Sie
fordern, würde der Preis für Fleisch immens steigen -
beziehungsweise viel zu wenig produziert werden, gemessen an
der Nachfrage. Hat beides in einer liberalen EU-weiten
Marktwirtschaft nicht zur Folge, dass etwa Supermärkte oder
Großmärkte einfach in anderen Ländern zukaufen, weil es dort
letztlich billiger ist?
Wie schon dargestellt, sind wir jetzt schon in der Situation, dass 52% des aktuellen Verbrauchs an Rindfleisch nicht aus Deutschland kommt (45 % aus der EU, 7% von ausserhalb der EU), Preise decken nicht die Kosten, deutsche Rinderhalter geben auf, gleichzeitig wird mehr Geflügelfleisch gegessen und die Gesamtmenge von Fleisch ist leicht gestiegen. Mit dem kürzlich beschlossenen Handelsabkommen Mercosur kann alles nur noch schlechter werden für Rinderhalter und Grünlandbewirtschaftung.
Es geht dringend darum den Wert regionaler, artgemäßer Weidetierhaltung, sowie von Weidefleisch und Weidemilch aus Grünlandfutter in der Ernährung hervorzuheben und einen dafür notwendigen höheren Preis politisch zu unterstützen. Billiger als der globalisierte Fleischmarkt kann in Bayern nicht produziert werden.
• In welchem Verhältnis steht denn Rindfleisch zur Milcherzeugung?
Milchviehhaltung ist ernährungsökologisch immer mit der Entstehung von Milch und Fleisch verbunden. In Deutschland wird jedoch viel zu wenig heimisches Rindfleisch gegessen im Verhältnis zur hier erzeugten Milch. Denn es wird sehr viel billiges Rindfleisch importiert, hier verbraucht und gleichzeitig werden deutsche Tiere und Fleisch exportiert. Bayerische Öko-Weidemilch wird geschätzt, aber im Verhältnis dazu wird viel zu wenig Öko-Weiderindfleisch gegessen. Es braucht dreifachen Verzehr. Ernährungsökologisch paritätischer Verzehr bräuchte je liter Öko-Milch 25 Gramm Öko-Rindfleischverzehr.
• Welchen Wert messen Sie dem Ackerland im Kontext
Klimaschutz im Vergleich zu Wäldern und Mooren bei - und
welche Rolle spielt dabei das Rind?
In Bezug auf die erwartete Temperaturentwicklung gehen Klima- und Bodenforscher davon aus, dass Ackerland ein Emittent von CO2 wird, ebenso wie Wald und Moore in Deutschland schon aktuell. Acker braucht 30% mehr organische Substanz, um überhaupt Humus und Fruchtbarkeit zu halten, sagt ein bayerischer Bodenforscher. Das kann nur das künstliche Grünland, das Kleegras leisten, wie es im Ökolandbau schon zu etwa 30% in der Fruchtfolge steht und dazu leistet es Erosionsschutz. Acker speichert in Deutschland statistisch nur halb soviel Kohlenstoff im Boden wie Dauergrünland. Sowohl das Kleegras im Acker, als auch das als Weide genutzte Dauergrünland wirkt besonders klimaschützend, indem es von Rindern genutzt wird, die zudem wertvollen Dünger für den Nährstoffkreislauf hinterlassen.
• Stand heute: Was denken Sie? Wie wird in 20 Jahren die
Struktur der Landwirtschaft und der Naturlandschaft im Landkreis
Traunstein, Bayern und, groß gedacht, der Welt aussehen?
Die Frage halte ich für zu weit gerichtet in Anbetracht der Klima- und Weltsituation, um eine Antwort geben zu können. Der Aspekt der Ernährungs- und Klimasicherheit des Dauergrünlands sowie der Rinder die aus nichtessbarem Gras heimische Lebensmittel und wertvollen eigenen Dünger erzeugen können, halte ich jedoch für sehr wichtig für die Zukunft der Ernährung und der Landwirtschaft. In Grünlandregionen ist auch an ehemals vorhandenen Ackerbau zu denken, zur Erzeugung regionalen Gemüses. Gleichzeitig könnte dafür anderswo klimakompensierend Acker zu Dauergrünland werden.
• Gibt es in Ihren Augen aber auch etwas, das wirklich jeder einzelne von uns
tun kann, um der Erderwärmung verhältnismäßig wirkungsvoll
entgegen zu treten? Oder hilft all das Kleinklein nicht und es geht
nur, wenn sich fundamental und systemisch im Großen etwas
ändert?
Jeder Einzelne kann etwas tun und wirksam sein, aber natürlich muss es auch gesellschaftliche Änderungen geben. Zentral ist die Reduzierung fossiler Energieträger. In Bezug auf Ernährung kann jeder Mensch weidende Tiere in seiner Landschaft suchen. Sie bewahren den Kohlenstoff im Grünlandboden, holen sich ihr Futter selbst, haben höchstes Tierwohl - und brauchen dabei keine fossilen Energieträger. Stallrinder schon. Legen sie deshalb Weidemilch und Weidefleisch in Ihren möglichst regional bestückten Warenkorb. Das verbindet mit der heimatlichen Umgebung, hat hohe Qualität, fördert Biodiversität und ist klimaschützend wirksam.
BERUFLICHE VITA
Ulrich Mück absolvierte eine landwirtschaftliche Lehre ehe er sein Diplom im Bereich Ökolandbau in Witzenhausen abschloss. Seit 1988 ist er Berater bei Demeter in Bayern, 1994 bis 2012 Geschäftsführer der Demeter-beratungs-organisation, seit 2013 als Demeter-Berater in Teilzeit aktiv, Schwerpunkte: Milchvieh, Grünland, Stallbau für horntragende Milchkühe – daneben freiberufliche Arbeit in Forschungs- und Beratungs-Projekten sowie mit Vorträgen. -red.
Zu hören ist Ulrich Mück im Podcast der Zukunftsregion Rupertiwinkel "Unsere Landwirtschaft - Dabei sein und verstehen". Dieser ist kostenlos abrufbar Folge 7: Rindfleisch für die Artenvielfalt? auf dieser Webseite und zu finden überall dort, wo es sonst noch Podcasts gibt.
Artikel von Ralf Enzensberger, Südostbayerische Rundschau vom 20.05.2025